Sonntag, 3. März 2024

Hakuna Matata! Auf dem Dach von Afrika (Kilimanjaro-Trekking Teil 3)

@wandernohneende
Am nächsten Morgen liessen wir die Horombo Hütten hinter uns. Nach einem sanften, langgezogenen Aufstieg erreichten wir die ausgedehnte Hochebene, die wir schon am Vortag vom Aussichtspunkt aus gesehen hatten. Flach führte der breite Weg durch die braune, fast vegetationslose Einöde und wir näherten uns Schritt für Schritt dem mächtigen Kibo, der sich einsam von seiner Umgebung abhob. 

Ein letzter Anstieg brachte uns zur Kibo Hütte (4'720 m). Dort gab es eigentlich nur noch zwei Dinge zu tun: Ausruhen und das abschüssige Couloir hochstarren, in welchem die feinen Zickzacklinien der Wegspur erkennbar waren, die wir in der kommenden Nacht hochsteigen würden.

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Um 18 Uhr lagen wir bereits in unseren Schlafsäcken, doch für mehr als ein kurzes Eindösen reichte es nicht. Nur fünf Stunden später wurden wir schon wieder geweckt. Genau um Mitternacht begann schliesslich der Gipfelsturm: Im Lichte der Stirnlampen stiegen wir im Gänsemarsch langsam die Bergflanke hoch durch die Dunkelheit. 

Zu Beginn spürte ich praktisch nichts von der Höhe, doch wir hatten kaum die 5'000 m-Grenze erreicht, als wir Wanderer von anderen Gruppen passierten, die bereits erschöpft am Boden sassen. Zu diesem Zeitpunkt war mir auch nicht kalt, sondern im Gegenteil so warm, dass es mir leicht übel wurde. Die Übelkeit bekämpfte ich in der nächsten Pause bei der Hans-Meyer-Höhle (5'150 m) erfolgreich mit einem Schluck Cola. Gegen die Wärme zog ich eine meiner unteren Kleidungsschichten aus - ein Fehler, wie sich später herausstellen würde, denn ab da fror ich bis zum Gipfel durchgehend, insbesondere meine Finger wurden nicht mehr warm.

@wandernohneende
Fast schlafwandlerisch trotteten wir weiter hoch, eine Serpentine nach der anderen. Mein Blickfeld bestand vornehmlich aus den violetten Hosen der Mitwanderin vor mir und ich musste mich richtig zwingen, auch mal die weitere Umgebung um mich herum wahrzunehmen: Die Lichterketten unter und oberhalb von uns der anderen Gruppen im Aufstieg, die Lichter der Ortschaften tief unter uns hinter der kenianischen Grenze und die Lichter der Sterne über uns.

Ich hatte jedes Zeitgefühl verloren und hätte nicht sagen können, wie lange wir schon unterwegs waren. Mittlerweile hatte die Höhe auch auf mich Auswirkungen. Das Schwächegefühl, das ich verspürte, ist schwierig zu beschreiben: Ein leichter Schwindel, verbunden mit einem gelegentlichen Übelkeitsgefühl und generell ein Eindruck, erschöpft zu sein, obwohl ich überhaupt nicht schwitzte.

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In der Peripherie des Lichtkegels der Stirnlampe tauchten die ersten Schneefelder auf, doch der Kraterrand wollte einfach nicht kommen. Dafür wurde es noch etwas steiler und felsiger. Unsere Guides übernahmen schliesslich die Rucksäcke der weiblichen Gruppenmitglieder; die Männer mussten sich durchbeissen. Mein Rucksack war praktisch leer, trotzdem war es eine spürbare Erleichterung, ohne ihn zu laufen.

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Es war noch dunkel, als wir dann ziemlich plötzlich den Kraterrand beim Gilman's Point (5'685 m) erreichten. Hier gilt der Kibo als bestiegen, bis zum höchsten Punkt sind es aber nochmals knapp zweihundert Höhenmeter. Mir war das egal. Ich fühlte mich auf einmal geradezu euphorisch und wusste in diesem Moment, dass ich es bis zum Gipfel schaffen würde. 

Auf dem Grat lag viel Schnee - die Wochen vor unserem Aufstieg waren ungewöhnlich niederschlagsreich gewesen - doch das Fortkommen auf der ausgetretenen Spur war kein Problem. Beim Stella Point (5'756 m) konnte man die Lichterketten der Leute sehen, die über die Whiskey-Route aufstiegen und hier den Kraterrand erreichten. 

Kurz danach ging die Sonne auf. Sonnenaufgang auf dem Dach von Afrika - ein erhabenes Gefühl. Und dann, kurz vor sieben Uhr, erreichten wir den Uhuru Peak (5'895 m), den höchsten Punkt des Kilimanjaro-Massivs und von ganz Afrika! 

@wandernohneende
Wir waren indes nicht die einzigen, die es geschafft hatten. Auf dem Gipfel herrschte ein Menschenauflauf, der an den Alpstein erinnerte. Vor dem Gipfelschild staute es sich, da alle natürlich ein Beweisfoto von ihren Gipfelerfolg wollten. 

Kaum hatten wir unsere Fotos gemacht, drängte Bryson, unser Chefguide, bereits wieder zum Aufbruch. Pole, pole - langsam, langsam - galt jetzt nicht mehr, ganz im Gegenteil, es wurde auf das Tempo gedrückt. Auf dem Aufstiegsweg ging es zunächst zurück zum Gilman's Point und dann das steile Couloir hinunter. Im Gegensatz zum Aufstieg konnte man im Tageslicht sehen, wie steil und abschüssig es wirklich war. Am Anfang folgten wir noch dem Zickzackweg, doch dann rutschten wir einfach entlang der Falllinie direkt die Bergflanke hinunter durch das weiche Schotterfeld. Eine sehr staubige Abstiegsweise!

@wandernohneende
Fast genau zehn Stunden nach unserem Aufbruch waren wir zurück in der Kibo Hütte, doch der Tag war hier noch nicht zu Ende. Rasch packten wir unsere Sachen zusammen und stärkten uns kurz mit einer Suppe, dann ging es direkt weiter in Richtung Horombo Hütten. Die ausgedehnte Hochebene dünkte mich dabei noch ausgedehnter als am Vortag und insbesondere der langgezogenen Abstieg durch Buschland schien nicht mehr zu enden. 

Beim Abendessen in den Horombo Hütten wurden wir mit einer Torte überrascht, um unseren Gipfelerfolg zu feiern. Später lag ich noch lange wach in meinem Schlafsack, denn trotz des langen Marsches und der praktisch schlaflosen Nacht zuvor, konnte ich kaum ein Auge zu tun, ich war einfach viel zu vollgepumpt mit Endorphinen und Adrenalin. 

@wandernohneende
Und dann brach bereits der letzte Tag unseres Kilimanjaro-Trekkings an. Eine letztes Mal Tasche und Rucksack packen, eine letzte Tasse Hibiscus-Tee, ein letztes Mal Lunch-Box fassen und schon ging es wieder los. Bei bestem Wetter ging es abwärts und die Vegetation wurde allmählich immer grüner, höher und feuchter. Ein letzter Blick über die Schultern, um sich vom Kibo zu verabschieden, bevor wir wieder in den Regenwald eintauchten. Hakuna Matata, wir haben es geschafft !


Wanderinfos:

  • Freitag, 2. Februar 2024: Horombo Hütten - Kibo Hütte (Distanz: 9,2 km - Wanderzeit (netto) : 4 h - Aufstieg: 1'000 m)
  • Samstag, 3. Februar 2024: Kibo Hütte - Gilman's Point - Stella Point - Uhuru Peak - Gilman's Point - Kibo Hütte - Horombo Hütten  (Distanz: 17,8 km - Wanderzeit (brutto inkl. Pausen): 13 h 30 min - Aufstieg: 1'200 m)
  • Sonntag, 3. Februar 2023: Horombo Hütten - Mandara Hütte - Marangu Gate (Distanz: 20 km - Wanderzeit (netto) : 5 h 30 min - Aufstieg: 30 m)


Alle Blogbeiträge zum Kilimanjaro-Trekking gibt es hier.