Donnerstag, 3. Oktober 2019

Tierbergsattel und Schnidejoch: Durch das Rückzugsgebiet der Gletscher

@wandernohneende
Enzian am Iffighore
Die wohl letzte Zweitagestour der diesjährigen Wandersaison führte mich ins Berner Oberland in die wilde Gegend von Wildstrubel, Wildhorn und den gleichnamigen Hütten. Ivan war der Organisator dieser Wanderung der Superlative, die durch eine Landschaft von rauer Schönheit führte und selbst meine Kistenpasswanderung von der Woche zuvor in den Schatten stellte. Da muss auch nicht unbedingt erwähnt werden, dass der Organisator den Zug verpasste und mit einer Aufholjagd starten musste, um "seine" Gruppe einzuholen.

Der Anfang der Wanderung stand im Zeichen der Wasserfälle: Zunächst passierten wir - noch auf einem breiten Spazierweg - die Simmenfälle. Danach stiegen wir auf einem teilweise ausgesetzten, direkt in den Stein gehauenen Pfad eine Steilwand hoch entlang von Bächen, die über die Felsen hinab fielen. Beim türkisblauen Flueseeli legten wir eine erste Verschnaufpause ein. Ein weiterer Aufstieg brachte uns schliesslich auf das vom Gletscher geformte Plateau des Tierbergs. Das Eis ist hier längst verschwunden, geblieben sind die glatt geschliffenen Felsen und das Geröll der Moränen, über welche das Schmelzwasser des Gletschers hinabrauscht. Das Rezligletscherseeli bildet einen blauen Farbtupfer in der grauen Landschaft. Ein eindrücklicher Ort!

@wandernohneende
Post-Gletscher Landschaft
am Tierberg
Ein weiterer, am Schluss ziemlich steiler Aufstieg brachte uns auf den Tierbergsattel (2'654 m). Die Wildstrubelhütte, unser Tagesziel, lag fast auf gleicher Höhe wie der Übergang, versteckte sich aber noch hinter der Flanke des Wisshore. Um die Hütte zu erreichen, mussten wir zunächst fast bis zu den Rawilseeleni hinunter absteigen. Verlorene Höhenmeter, die wir wieder mühsam zurückholen mussten.

Der Schlussanstieg durch den gerölligen Steilhang war dann einer dieser Momente, wo ich mich fragte, warum ich eigentlich nicht ein weniger schweisstreibendes Hobby gewählt hatte. Ich hatte bereits im letzten Jahr auf der Wildstrubelhütte (2'793 m) übernachtet, ich konnte mich aber nicht daran erinnern, dass der Aufstieg beim letzten Mal auch so anstrengend gewesen war.

@wandernohneende
Sonnenuntergang auf der
Wildstrubelhütte
Beim Bier auf der sonnigen Terrasse der Hütte resp. spätestens beim Anblick des Sonnenuntergangs über den Bergketten waren die fast zweitausend Höhenmeter des Tages bereits vergessen und Selbstzweifel wie weggeblasen. Die kamen erst wieder, als wir am nächsten Morgen den gleichen rutschigen Steilhang wieder hinabsteigen mussten.

Beim Rawilpass überschritten wir die Kantonsgrenze zum Wallis. Wir folgten dem ausgedehnten Hochtal, welches von Wasserläufen durchzogen war, bis zu einem (namenlosen) See, in dessen Oberfläche sich das Wildhorn spiegelte. Danach folgte der Aufstieg über ein zerklüftetes Karrenfeld mittels leichter und abwechslungsreicher Kraxelei. Eine Lücke in der Bergkette gab den Blick frei auf die Walliser Viertausender und den Lac de Tseuzier und weckte Erinnerungen an vergangene Wanderungen. Über lockeres Geröll ging es weiter hoch bis zum Schnidejoch (2'756 m) und damit zurück in den Kanton Bern. Knapp unterhalb des kläglichen Rests des Chilchigletschers führte der Weg einer Moräne entlang. Im letzten Winter hatte ich den gleichen Weg beim Abstieg vom Wildhorn genommen, damals war die Steinwüste unter einer dicken Schneeschicht versteckt gewesen.

@wandernohneende
Rawilseeleni vor Wildhorn
Pünktlich zur Mittagszeit trafen wir in der Wildhornhütte ein. Kurz danach trennte sich unsere Wandergesellschaft auf: Einige stiegen auf direktem Weg zur Iffigenalp ab (mit oder ohne Bad im Iffigensee), während ich mich einem kleinen Grüppchen anschloss, welches noch auf das Iffighore steigen wollte - als hätte ich an diesem Wochenende nicht schon genügend Höhenmeter gemacht. Doch der Abstecher stellte sich als lohnenden heraus, nicht nur wegen der Aussicht vom Iffighore (2'378 m), sondern vor allem wegen dem anschliessenden Abstieg. Dieser führte durch eine mit weissen Felsen durchzogene Heidelandschaft inklusive einer Wiese voller blühender Edelweiss.

Auf der Iffigenalp liessen wir das Wochenende ausklingen und trotz den sch... vielen und steilen Höhenmetern - es war eine geniale Tour durch eine wunderschöne Berglandschaft mit Wiederholungspotential gewesen!




Wanderinfos:
  • Gewandert: Samstag/Sonntag, 28./29. September 2019
  • Route: Lenk, Simmenfälle - Rezlibergli - Flueseeli - Rezligletscherseeli - Tierbergsattel - Rawilseeleni - Wildstrubelhütte (Samstag); Wildstrubelhütte - Rawilpass - Plan des Roses - Schnidejoch - Wildhornhütte - Sandbode - Iffighore - Groppi - Iffigenalp (Sonntag)
  • Unsere Wanderzeit: 4 h 45 min (Samstag); 6 h (Sonntag)
  • Distanz: 12 km (Samstag); 19 km (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'920 m (Samstag); 900 m (Sonntag)
  • Übernachten: Wildstrubelhütte SAC