Sonntag, 16. Dezember 2018

Wintersonne im Tessin

Lago di Vogorno
Der Winter stand vor der Türe, doch bevor ich endgültig die Schneeschuhe aus dem Keller holte und die grossen Teller an meinen Wanderstücke montierte, machte ich nochmals einen Abstecher aus dem nebligen und kalten Zürich in die Südschweiz. Kalt war es zwar auch im Tessin, doch dafür konnte es mit einem wolkenlosen blauen Himmel aufwarten.

Die Wärme kam beim Aufstieg von Tenero Richtung Gordemo durch kahle Weinberge und enge Gässchen im Übrigen von selbst, dafür sorgten - wie im Tessin unvermeindlich - die zahlreichen Treppenstufen. Der Weg wurde flacher, als ich ins Verzascatal einbog und schon bald kam die imposante Staumauer des Lago di Vogorno in Sicht, von der bekanntermassen James Bond herunter gesprungen ist. An diesem Tag war zwar nichts von Pierce Bronsan zu sehen, dafür spiegelten sich die schneebedeckten Bergspitzen im klaren Wasser.

Madonna del Sasso
Ich überquerte die Staumauer und nach kurzer Zeit erreichte ich den Höhenweg, der dem Hügel entlang führt. Es war auch etwas eine Zeitreise, denn nur ein Stück von der modernen Staumauer entfernt führte der Weg über eine römische Bogenbrücke aus Stein. Immer wieder hatte man durch die Bäume schöne Ausblicke auf den Lago Maggiore, was die nicht wirklich anstrengende Wanderung abwechslungsreich machte.

Via der bekannten Wallfahrtskirche Madonna del Sasso, die prominent über Locarno thront, stieg ich bis ans Seeufer hinunter. Nach einem letzten Blick in die Sonne ging es schliesslich zurück durch den Gotthard, auf dessen Nordseite Nebel und Schnee warteten.




Wanderinfos:
  • Gewandert: Samstag, 15. Dezember 2018
  • Route: Tenero - Gordemo - Staumauer Lago di Vogorno - Ronco di Bosco - All'Eco - Monti della Trinita - Locarno Muralto
  • Meine Wanderzeit: 3 h 20 min
  • Distanz: 13,7 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 620 m


Sonntag, 9. Dezember 2018

Rigi kurz und knapp

Nachdem meine Knie den langen Abstieg der letzten Wanderung nicht so gut vertragen hatten, suchte ich nach einem "knieschonenden" Ziel, das zudem sicher über dem Nebel lag, nicht allzu weit von Zürich entfernt war und keine Planung erforderte: Die Rigi erfüllte alle Voraussetzungen.

Ich bin schon unzählige Male auf die Rigi gewandert. Um die Sache zumindest ein bisschen abwechslungsreicher zu gestalten, nahm ich beim Dächli die Abzweigung in Richtung Blatten. Bei dieser Variante führte der Wanderweg zunächst nur leicht ansteigend durch die Wald. Erst oberhalb der Waldgrenze wurde der Pfad steil. Auf dem letzten, etwas ausgesetzten Stück lag zudem bereits Schnee, so dass ich mich mehrmals versichern musste, noch auf dem Wanderweg zu sein, denn nur ein paar Meter neben mir waren die senkrechten Felswände.

Der Weg endete direkt auf dem Rigi Kulm und als ich das Gitter öffnete, um auf die Aussichtsplattform zu steigen, störte ich zwei asiatische Touristinnen, die gerade dabei waren, Selfies zu schiessen und die ziemlich erstaunt schienen, dass ich scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht war.

Mit dem Bähnchen ging es dann gemütlich - und knieschonend - zurück nach Arth-Goldau. Auch wenn nicht besonders ausgefallen, eine Wanderung auf die Rigi lohnt sich immer wieder!



Wanderinfos:
  • Gewandert: Sonntag, 25. November 2018
  • Route: Arth-Goldau - Dächli - Blatten - Zingel - Rigi Kulm
  • Meine Wanderzeit: 3 h
  • Distanz: 8,7 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'320 m


Sonntag, 2. Dezember 2018

Mühseligkeiten am Oberblegisee

Oberblegisee
Wenn man meinem Facebook-Feed glauben konnte, war der Oberblegisee das Wanderziel der Saison. Auf jeden Fall schienen alle meine Wanderkollegen Fotos davon zu posten, so dass ich mich entschloss, mir den See einmal selber aus der Nähe anzusehen.

Von Luchsingen aus folgte ich dem Bösbächibach (Pleonasmus?) aufwärts und ignorierte den Wegweiser, der für den Oberblegisee nach rechts zeigte. Ich hatte mir zu Hause eine Route zusammengestellt, die weiter das Tobel hinauf führte. Schon nach kurzer Zeit erreichte ich die Schwefelquelle Luchsingen, deren Wasser Heilkräfte zugesagt werden. Der starke schweflige Geruch, welchen der tröpfelnde Hahn verströmte, hinderte mich aber am Selbstversuch. Im Rückblick war dies vermutlich ein Fehler gewesen, denn an diesem Tag hätte ich die Unterstützung aller verfügbaren Wundermittel gebrauchen können.

Heilquelle
Schwefel- und Heilquelle Luchsingen
Beim Aufstieg machte sich nämlich deutlich bemerkbar, dass ich die letzten beiden Wochen auf den kanarischen Inseln vornehmlich die Beine hochgelegt und den Blick aufs Meer genossen hatte: Ich kam sehr schnell ausser Atem. Vielleicht verpasste ich deshalb bei Schlattberg den Abzweiger, der mich zurück in die Schlucht gebracht hätte. Da ich keine Lust (und keine Kondition) hatte, Höhenmeter doppelt zu machen, entschied ich mich, erst weiter oben wieder in den Wanderweg einzubiegen. Dafür musste ich einer unmarkierten, schmalen Wegspur durch den Wald folgen, die abschüssig einem steilen Hang folgte. Die dicke Laubschicht, welche den Boden bedeckte, und die umgestürzten Bäume, die man über- oder unterkraxeln musste, halfen bei der Wegfindung nicht wirklich. Irgendwann stellte ich mir zudem die Frage, wann wohl im Kanton Glarus die Jagd anfing und zog zur Sicherheit meine dunkle Jacke aus.

Bei der Bösbächialp stiess ich endlich wieder auf den markierten Wanderweg und der war bis zum Oberblegisee so breit, dass man ihn auf keinen Fall verpassen konnte. Obwohl der See offenbar ein beliebtes Ausflugsziel ist, war ich an diesem Tag ganz alleine. Für mich war Oberblegi nur ein Zwischenziel, ich wollte nämlich auch noch den nächsten See "mitnehmen", das Guppenseeli. Dafür ging der Aufstieg nochmals weiter - bei der Planung zu Hause hatte die Wanderung irgendwie viel weniger anstrengend ausgesehen als draussen im Gelände.

"Guppenseeli"
Dazu kam, dass weiter oben auf dem Weg ein Schäumchen Schnee lag. Beim Aufstieg war dies kein Problem, doch den steilen und etwas ausgesetzten Abstieg zum Guppenseeli verwandelte der Schnee in eine heikle Rutschpartie, zumal plötzlich auch noch mein Knie anfing zu schmerzen. Ziemlich ungelenk, auch mal unter Zuhilfenahme meines Allerwertesten, stieg ich im Zeitlupentempo Richtung Guppen ab. Dass es - ausser ein paar Gämsen, die mir mitleidige Blicke zuwarfen - keine Zeugen für meine uneleganten Abstiegskünste gab, war nur ein kleiner Trost.

Zur Krönung des Tages stellte sich schliesslich heraus, dass vom Guppenseeli nichts zu sehen war - der trockene Sommer hatte es zum Verschwinden gebracht, alles was übrig geblieben war, war eine dünn mit Schnee überzogene Fläche. Dafür standen weitere 1'000 negative Höhenmeter mit einem schmerzenden Knie an. Zu sagen, dass sich der Abstieg hinzog, wäre eine Untertreibung. Nach über sechs Stunden - knapp vor dem Eindunkeln - erreichte ich endlich den Bahnhof von Schwanden. Ich hatte definitiv schon erholsamere Wanderungen gemacht!



Wanderinfos:
  • Gewandert: Donnerstag, 22. November 2018
  • Route: Luchsingen-Hätzingen - Schlattberg - Bösbächialp - Unterstafel - Oberblegisee - Guppenseeli - Guppenalp-Oberstafel - Untere Stelli - Enneteggen - Schwanden
  • Meine Wanderzeit: 6 h 15 min
  • Distanz: 17,2 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'390 m



Sonntag, 25. November 2018

Entlang der Engadiner Seenplatte (Senda Segantini 3/3)

Nach zwei wettermässig perfekten Tagen auf der Senda Segantini kam der Wetterumschwung und ich war unschlüssig, ob ich überhaupt weiter wandern oder doch direkt in Maloja ins Postauto nach Hause steigen sollte. Selbst als ich nach dem Frühstück Richtung Dorfzentrum zottelte, hatte ich mich noch nicht definitiv entschieden. Doch ein ausgiebiger Blick in den Himmel zeigte zwar Wolken, aber auch kleinere blaue Löcher dazwischen. Zudem führte der nächste Abschnitt der Senda Segantini mehr oder weniger flach dem Talboden entlang, so dass man jederzeit abbrechen konnte, sollte das Wetter schlechter werden. Also ging ich an der Busstation vorbei und bog stattdessen zum See ab.

Die Route führte als Erstes entlang des Silsersees und und dieser Streckenabschnitt war der schönste an diesem Tag. Der gut ausgebaute Weg führte immer mehr oder weniger direkt dem Ufer entlang und auch im gedämpften Licht waren die gelben Engadinerwälder sehenswert. Von zahlreichen Aussichtspunkten aus hatte man eine schöne Sicht auf die kleinen Inselchen im See.

Am Ende des Sees durchquerte ich das hübsche Dörfchen Sils, bevor der Weg etwas anstieg, um dann zum Ufer des Silvaplanersees wieder abzusteigen. Unterdessen hatte der Wind merklich aufgefrischt und insbesondere als die Route bei Silvaplana die Talseite wechselte, wurde die Wanderung ungemütlicher. Trotzdem wanderte ich hoch über dem Lej de Champfèr noch ein Stück weiter. Hier verdeckte mehrheitlich der dichte Lärchenwald den Blick auf den See.

Langsam spürte ich zudem in meinen Beinen die Wanderkilometer der letzten Tage und als es doch noch zu regnen anfing, nutzte ich dies als willkommenen Vorwand, bei der nächsten Busstation die Wanderung zu beenden. Die letzte Etappe der Senda Segantini, welche über die Alp Languard und Muottas Murragl führt, hole ich in der nächsten Saison nach.



Wanderinfos:
  • Gewandert: Mittwoch, 24. Oktober 2018
  • Route: Maloja - Isola - Sils/Segl Maria - Palüdetta - Silvaplana - Champfèr (3. Etappe der Senda Segantini/regionale Route Nr. 25)
  • Meine Wanderzeit: 3 h 40 min
  • Distanz: 17,3 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 410 m
  • Weitere Etappen der Senda Segantini gibt es hier




Sonntag, 18. November 2018

Zwei Pässe und drei Meere (Senda Segantini 2/3)

Silsersee
Der zweite Tag meiner Wanderung entlang der Senda Segantini begann mit einem Frühstück bei Kerzenlicht - in ganz Bivio war für Unterhaltsarbeiten der Strom abgestellt worden. Wie am Vortag versprach das Wetter ungetrübten Sonnenschein, doch als ich loswanderte, stellte ich schnell fest, dass es empfindlich kühl war. Nach ein paar Metern holte ich Mütze und Handschuhe hervor, obwohl der Weg anstieg. Beides zog ich den ganzen Tag nicht mehr aus - und holte mir gleichzeitig auf der Nase einen Sonnenbrand.

Der Aufstieg zum Septimerpass führte über einen breiten Feldweg und bereitete keinerlei Schwierigkeiten. Der Boden war hart gefroren und weisser Reiff überzog die ockerfarbenen Wiesen. Kurz vor der Pass erreichte ich die Sonne, doch ein kühler Wind verhinderte, dass es richtig warm wurde.

Nach zwei Stunden stand ich bereits auf dem Septimerpass (2'310 m). Gemäss der Routenangaben auf der Karte von SchweizMobil führt die Senda Segantini von hier aus in südlicher Richtung weiter hinunter nach Casaccia. Der Wegweiser auf der Passhöhe zeigte aber in unmissverständlicher Weise nach Osten zum Pass Lunghin. Nach kurzem Kartenstudium entschloss ich mich, dem Wegweiser zu folgen. Diese Variante versprach mehr alpinen Charakter und das schöne Wetter wollte ich nicht vergeuden.

Also ging es als Erstes weiter nach oben, bis ich mit dem Lunghin (2'645 m) schon den zweiten Pass an diesem Tag erreichte. Auf der Passhöhe befindet sich eine dreifache Wasserscheide: Das Wasser fliesst von hier aus entweder in die Adria, ins Schwarze Meer oder in die Nordsee.

Lägh dal Lunghin
Ich wähnte mich in einer Wüste aus Schotter und Steinen, doch der Abstieg zum Lägh dal Lunghin war alles andere als grau: Die Felsen schimmerten in rot, grün und schwarz und unter mir lag der blaue See, welcher als Quelle des Inn gilt. Sein klares Wasser lud (fast) zum Baden ein, doch die gefrorenen Stellen am Ufer waren ein deutliches Zeichen, dass er nicht meine bevorzugte Badetemperatur aufwies.

Der Abstieg ging weiter und bald kam tief unter mir das Bergell und der Silsersee in Sicht. Wie bereits am Vortag war der Weg ins Tal hinunter lang, dieses Mal zusätzlich auch noch ziemlich steil. Ich war froh, als ich endlich in Maloja ankam und freute mich auf einen warmen Cappuccino - vergeblich, auch in Maloja war die Saison vorbei und ausser einem kleinen Kiosk hatte alles geschlossen.




Wanderinfos:
  • Gewandert: Dienstag, 23. Oktober 2018
  • Route: Bivio - Septimerpass - Pass Lunghin - Lägh dal Lunghin - Pila - Maloja (2. Etappe der Senda Segantini/regionale Route Nr. 25)
  • Meine Wanderzeit: 5 h 
  • Distanz: 14 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 960 m
  • Übernachten: Hotel Longhin, Maloja
  • Weitere Etappen der Senda Segantini gibt es hier


Sonntag, 11. November 2018

Marathonwanderung rund um Zürich

Zürich urban
Wanderungen mit Nicolas haben die Tendenz, weit und schnell zu sein. Das war im Frühling beim Freiämterweg der Fall und auch dieses Mal waren über vierzig Kilometer im Eiltempo angesagt: Der "Green Marathon" ist eine ausgeschilderte Strecke rund um die Stadt Zürich. Die Idee ist wohl, dass man den Rundkurs rennt, doch auch im (zügigen) Wandertempo stellte er eine Herausforderung dar.

Die Route begann nahe beim Hauptbahnhof Zürich und führte zunächst quer durch die Stadt. Doch schon nach ein paar Metern zeigte sich, warum es sich um einen "grünen" Marathon handelt: Der Weg führte dem Schanzengraben entlang, welcher sich wie eine Oase durch die Stadt schlängelt, und bereits nach fünf Minuten schreckten wir den ersten Fischreiher auf. Nachdem wir den See und das Seefeld hinter uns gelassen hatten, fing die Strecke entlang des Wehrenbachtobels an zu steigen, bis wir beim Lorenkopf (693 m) auf dem höchsten Punkt des Tages standen.

Zürich ländlich
Damit hatten wir auch mein "Joggingrevier" erreicht. Nachdem wir knapp die Hälfte der Strecke geschafft hatten, kamen wir (fast) bei mir zu Hause vorbei, doch ich widerstand der Verlockung, direkt meine Badewanne anzusteuern. Diese Selbstdisziplin brauchte man den ganzen Tag über, denn immer wieder kreuzten wir Bus- und Tramlinien, die einem in wenigen Minuten nach Hause gefahren hätten.

Im Restaurant Waid gönnten wir uns einen Kaffee mit Aussicht über die Stadt Zürich. Beim Rütihof hatten wir dann den westlichen Wendepunkt der Rundwanderung erreicht und staunten, wie ländlich Zürich in dieser Ecke ist. Weniger ländlich war dafür gerade anschliessend die Überquerung des Limmattals bei Altstetten, um schliesslich am Fuss des Üetlibergs wieder in ein beliebtes Naherholungsgebiet einzutauchen.

Unterdessen machten sich die Kilometer in den Beinen und Füssen bemerkbar und ich spürte deutlich die Blase, welche sich an meiner Ferse gebildet hatte. Man sollte nicht mit neuen Trekkingschuhen eine Marathonwanderung starten! Doch unser kleines Wandergrüppchen hielt trotz Wehwehchen durch und beim Albisgüetli fing der Abstieg zurück in die Stadt an. Das letzte Stück führte entlang der Sihl und mit dem Eindunkeln erreichten wir wieder unseren Ausgangspunkt auf der Gessnerbrücke.

Trotz meinen geschundenen Füssen - es war eine schöne Wanderung gewesen, durch welche ich bekannte und weniger bekannte Ecken meiner Stadt ganz neu entdeckte.



Wanderinfos:

  • Gewandert: Samstag, 3. November 2018
  • Route: Gessnerbrücke, Zürich - Schanzengraben - Quaibrücke - Seefeld - Wehrenbach - Witikon - Lorenkopf - Fluntern - Rigiblick - Irchel - Bucheggplatz - Waid - Hönggerberg - Grünwald - Rütihof - Frankental - Werdhölzli - Albisrieden - Triemli - Friesenberg - Albisgüetli - Sihlcity - Sihl - Gessnerbrücke (ausgeschilderte Strecke "Green Marathon Zürich")
  • Unsere Wanderzeit: 8 h
  • Distanz: 43,3 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 970 m


Sonntag, 4. November 2018

Malerisches Graubünden (Senda Segantini 1/3)

Giovanni Segantini war ein italienischer Maler, dem es insbesondere die Berglandschaften des Engadins und Surses angetan hatten. Die Senda Segantini, welche ich Ende Oktober während dreier Tage bewanderte, folgt seinen Spuren.

Die Route beginnt eigentlich in Savognin, doch wegen den - in der Nebensaison sogar qualifiziert - schlechten öV-Verbindungen in die Bündner Seitentäler, schaffte ich es erst gegen Mittag ins Surses und liess daher das erste Stück aus. Von der Busstation Vardaval führte ein breiter Weg den Wald hoch, bis ich bei Plaz Beischen schliesslich in die Senda Segantini einbog.

Im lockeren Auf und Ab führte die Route durch den mit leuchtend gelben Lärchen versetzten und sehr einsamen Bündner Herbstwald. Ab und zu passierte ich kleine Alpen, die aber alle schon verlassen und winterfest verriegelt waren. Motive zum Malen hätte es reichlich gegeben, ich behalf mich mit fleissigem Fotografieren, doch die Fotos schafften es kaum, die Vielfältigkeit der Herbstfarben wiederzugeben.

Marmorera-Stausee
Bei der Alp Flix verliess ich den Wald und vor mir lag ein ausgedehntes, baumloses Plateau. Die Alp Flix ist eines der grössten Hochmoore der Schweiz und steht unter Schutz. Über die Ebene verteilt liegen einzelne Häuser und das erste Mal seit ich die Wanderung angefangen hatte, sah ich andere Menschen - wenn auch nur von weitem. Auf den Kaffee, den ich für die Alp Flix geplant hatte, musste ich indessen verzichten, alle Gasthäuser hatten geschlossen.

Also wanderte ich weiter über die schier endlos scheinende Hochebene. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte ich schliesslich ihr Ende und tauchte wieder in den herbstlichen Wald ein. Entlang von lauschigen Lichtungen führte der Weg abwärts und bald blitzte die glitzernde Oberfläche des Marmorera-Stausees durch die Bäume.

Beim Abstieg Richtung Bivio, der sich lange hinzog, fielen die zahlreichen pinkfarbenen Pfosten auf, welche Schneeschuhrouten markierten. Ein  deutliches Zeichen, dass der Winter nicht mehr weit war. Als ich schliesslich in Bivio ankam, war die Sonne bereits hinter dem Berg versunken und hatte das Tal im Schatten zurückgelassen.

Im historischen Hotel Post wurde ich von der Wirtin mit rauem Bündner Charme empfangen. Das Hotel war ebenfalls gerade dabei, für die Zwischensaison zu schliessen. Doch ich konnte in einem komfortablen Zimmer noch eine angenehme Nacht verbringen.





Wanderinfos:
  • Gewandert: Montag, 22. Oktober 2018
  • Route: Tinizong, Vardaval - Plaz Beischen - Alp digl Plaz - Alp Flix - Alp Natons - Bivio (1. Etappe der Senda Segantini/regionale Route Nr. 25)
  • Meine Wanderzeit: 4 h 50 min
  • Distanz: 17,3 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'140 m
  • Übernachten: Hotel Post, Bivio
  • Weitere Etappen der Senda Segantini gibt es hier


Sonntag, 28. Oktober 2018

In der weissen Welt der Rheinschlucht

@wandernohneende
Rheinschlucht
Der schöne Spätherbst gab mir die Gelegenheit, ein weiteres Ziel von meiner "Wander-to-do-Liste" zu streichen: Die Rheinschlucht oder auf räteromanisch: Ruinaulta. Ich war schon öfters mit dem Zug durch die imposante Schlucht mit den senkrechten weissen Felswänden und dem türkisfarbenen Wasser gefahren und jedesmal hatte ich mir vorgenommen, die Strecke zu Fuss zu machen.

Ich startete in Ilanz und am Anfang führte ein breiter Weg durch die bunten Auenwälder des Flussufers. Die eigentliche Schlucht begann erst nach der Bahnstation von Valendas-Sagogn. Die Route stieg leicht an und erlaubte eine gute Sicht auf die hellen Kalkwände auf der gegenüberliegenden Flussseite. Kurz vor Versam-Safien trat ich aus dem Wald heraus und plötzlich war alles um mich herum weiss: Der schmale Pfad führte über einen Damm aus weissem Sand und in jede Blickrichtung sah man weisse Felswände.

Der Vorderrhein führte auffällig wenig Wasser. Auf einer Schotterbank, welche weit in den Fluss hineinragte, machte ich eine Pause, um die Umgebung zu geniessen und Energie zu tanken für den Aufstieg nach Flims, der noch vor mir lag. Dieser stellte sich schliesslich als kurz und mehr oder weniger schmerzlos heraus: Der schmale Pfad führte steil die Bergflanke hoch, so dass ich schnell an Höhe gewann. Beim Aussichtspunkt Ransun hatte ich das Gröbste bereits hinter mir.

@wandernohneende
Caumasee
Über breite Waldwege ging es schliesslich zu zwei weiteren Sehenswürdigkeiten: Zuerst zur luftigen Aussichtsplattform "Il Spir", um nochmals einen Blick hinunter in die Rheinschlucht zu werfen, dann zum Caumasee. Auch der Caumasee hatte sichtlich wenig Wasser, dafür - dank Instagram-Hype - umso mehr Besucher. Da wollte ich natürlich nicht hinten anstehen und machte schnell auch ein Foto für mein Instagram-Account.

Für die letzten Höhenmeter gönnte ich mir den kleinen Caumasee-Lift und dann war es nur noch ein Spaziergang bis Flims Waldhaus, wo ich die Wanderung beendete.



Wanderinfos:
  • Gewandert: Sonntag, 21. Oktober 2018
  • Route: Ilanz - Castrisch - Valendas-Sagogn Station - Versam-Safien Station - Chrummwag - Er Davos - Conn/Il Spir - Lag la Cauma - Flims Waldhaus
  • Meine Wanderzeit: 5 h
  • Distanz: 20 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 850 m



Sonntag, 14. Oktober 2018

Im Rückwärtsgang auf der Via Alpina (15.+ 14. Etappe Via Alpina)

Schon seit drei Jahren organisieren wir unsere Wanderprojekte, indem wir uns jeweils anfangs Jahr treffen, die Daten festlegen und die einzelnen Etappen untereinander aufteilen. Das hatte bisher immer einwandfrei geklappt. Doch dieses Jahr drohte das letzte Via Alpina-Wochenende der Saison auszufallen, weil der designierte Organisator seine ehelichen Pflichten über sein Organisatorenamt stellte. Doch Katharina sprang im letzten Moment ein und rettete so unseren Saisonabschluss auf der Via Alpina.

Eine Folge des kurzfristigen Organisatorenwechsels war, dass wir die beiden ausstehenden Etappen in umgekehrter Reihenfolge angingen. Anstatt in Kandersteg zu starten, war dies nun das Ziel des Wochenendes. Der Start lag dagegen in der Lenk und führte zu Beginn durch ein Gebiet, an welches ich mich noch wage aus meinen Skilager-Tagen erinnerte. Auf den braun gefärbten Matten standen auch bereits die Schneekanonen für die nächste Skisaison bereit.

Bundergrat
Bundergrat
Beim Aufstieg musste ich schnell feststellen, dass ich meiner Form - und meinen Mitwanderen - hinterherhinkte; ich schob die Schuld dafür meiner noch nicht ganz auskurierten Erkältung zu. Ich war schliesslich erleichtert, als wir mit dem Hahnenmoospass (1'949 m) den höchsten Punkt des Tages erreicht hatten. Danach ging es nur noch abwärts und die grösste Herausforderung bestand darin, den Trottinetts auszuweichen, die an uns vorbeiflitzten.

Am Abend in Adelboden genossen wir die Vorteile, welche eine Übernachtung in einem Hotel statt in einer SAC-Hütte bot: Ein ruhiges Einzelzimmer, eine heisse Dusche und eine riesige Pizza beim lokalen Italiener zum Abendessen. Diese Kalorien brauchten wir auch dringend, denn am nächsten Tag standen noch ein paar Höhenmeter mehr auf dem Programm.

Die Motivation war eher bescheiden, als wir am frühen Morgen loszogen. Wir durchquerten das Dorf und auf der gegenüberliegenden Talseite begann bereits der Aufstieg. Die Berggipfel lagen in den Wolken, doch wenigstens blieben wir vom ursprünglich angesagten Regen verschont. Wir machten ein erste Pause auf der Bonderalp, wo wir ursprünglich die Nacht hätten verbringen wollen und fanden in der Beschriftung "Alkoholfreies Berghaus" rückwirkend noch einen zusätzlichen Vorteil von unserer Übernachtung im Hotel.

Der Weg stieg danach weiter an und bald tauchten wir in die tief hängenden Wolken ein. Damit war ich bereits bei meiner zweiten Nebelwanderung innert wenigen Tagen angelangt. Es gab keine Aussicht, die einem von der anstrengenden Steigung hätte ablenken können, und jedesmal, wenn man stehen blieb, um Atem zu holen, wurde es sofort empfindlich kühl. Also blieb einem nichts anderes übrig, als einen Fuss vor den anderen zu setzen und Meter um Meter hochzusteigen.

Bei der Bunderchumi zweigten wir schliesslich von der Via Alpina ab - es lockte ein Bähnchen. Zwar nicht für den Aufstieg, da gab es zur eigenen Muskelkraft keine Alternative, aber dafür hinter dem Grat für einen Teil des Abstiegs. Dass sich die gesamte Gruppe geschlossen für das Bähnchen entschied, zeigte zudem, dass ich nicht die Einzige war, die zum Saisonabschluss mit einem Formtief  kämpfte.

Ich hatte gehofft, dass wir wenigsten auf dem Bundergrat (2'456 m) die Sonne sehen würden, doch diesmal war die Hoffnung vergebens. Der Vorteil des Nebels war, dass man beim ziemlichen rutschigen Abstieg auf der anderen Seite nicht so genau sah, wie steil es wirklich hinunter ging. Das letzte Stück bis zur Undere Allme führten dann über breite Feldwege und bald schon kam die Bergstation der Allmenalpbahn in Sicht. Die finalen (Höhen-)Meter der diesjährigen Via Alpina-Saison schaukelten wir gemütlich mit der Gondel hinunter.




Wanderinfos:
  • Gewandert: 6./7. Oktober 2018
  • Route: Lenk - Bühlberg - Hahnenmoospass - Geils - Bergläger - Adelboden (Samstag); Adelboden - Bonderalp - Bunderchumi - Bundergrat - Obere Allme - Undere Allme (Sonntag) (15. und 14 Etappe der Via Alpina/nationale Route Nr. 1, mit Abweichung über den Bundergrat)
  • Unsere Wanderzeit: 4 h (Samstag); 4 h (Sonntag)
  • Distanz: 13,4 km (Samstag); 12 km (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 995 m (Samstag); 1'240 m (Sonntag)
  • Übernachten: Budgethotel Bernahof, Adelboden
  • Weitere Etappen der Via Alpina gibt es hier


Sonntag, 30. September 2018

Panoramawanderung im Nebel

Rechtzeitig zum Herbstanfang suchte mich eine Erkältung heim, die mich gleich mehrere Tage erfolgreich ausser Gefecht setzte. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder einigermassen frei durch die Nase atmen konnte, hielt ich es für höchste Zeit, wieder in meine Wanderschuhe zu schlüpfen. Ich hatte mit dem Walenpfad oberhalb Engelberg eine Wanderung ausgesucht, die mir für meinen rekonvaleszenten Zustand angemessen schien, zumal man die ersten achthundert Höhenmeter bequem mit Gondel- und Sesselbahn zurücklegen konnte.

Der Walenpfad macht damit Werbung "einer der schönsten Höhenwanderwege der Schweiz" zu sein und eine "herrliche Aussicht" zu bieten. Ich hatte aufgrund der Wetterprognosen zwar nicht mit einem strahlend blauen Himmel gerechnet, doch der stockdicke Nebel, der mich bei der Brunnihütte auf fast 1'900 m Höhe erwartete, demoralisierte mich dann doch etwas. Bei geschätzten zehn Metern Sichtweite war ich froh, überhaupt den Weg vom Sessellift zur rund hundert Meter entfernten Hütte gefunden zu haben, ohne in den Härzlisee zu fallen (ob dieser tatsächlich herzförmig ist, blieb ebenfalls im Nebel verborgen).

Ich trank einen Kaffee und hoffte auf einen Wetterumschwung. Nach einer knappen Stunde war klar, dass sich diese Hoffnung nicht innert nützlicher Frist erfüllen würde. Nach einer kurzen Diskussion mit mir selber entschloss ich mich schliesslich, die Wanderung trotzdem zu machen. Der Weg war gut unterhalten und ausreichend signalisiert - mehr kann ich über den ersten Teil der Strecke nicht sagen, denn mehr sah ich nicht. 

Nach der Walenalp kam ein längerer Aufstieg und dann passierte, womit ich nicht mehr gerechnet hatte: Ich erreichte tatsächlich die Nebelgrenze. Und über den Wolken herrschte Sonnenschein! Über mir ragten die senkrechten Felswände der Walenstöcke in die Höhe. Endlich sah ich auch etwas vom viel gerühmten Panorama, soweit dieses ebenfalls über die dicke Nebelschicht herausragte. 

Bei der Walegg war der höchste Punkt der Wanderung erreicht, danach führte der schmale Weg ausgesetzt dem steilen Abhang entlang. Wie steil es tatsächlich hinunter ging, blieb aber im Nebel verborgen, ebenso wie der Bannalpsee, den ich an diesem Tag nicht ein Mal zu Gesicht bekam. 

Bei der Alphütte Oberfeld tauchte ich wieder in die Wolken ein und die Wanderung endete wie sie begonnen hatte: Im Nebel. Der Nebel war aber auch ein guter Entschuldigungsgrund, bei der Kreuzhütte in die Seilbahn zu steigen und mir den Abstieg zu ersparen. Um das gesamte Panorama zu geniessen, komme ich ein anderes Mal zurück.




Wanderinfos:
  • Gewandert: Samstag, 29. September 2018
  • Route: Brunnihütte SAC - Sädelegg - Walenalp - Walegg - Oberfeld - Urnerstafel - Kreuzhütte (Walenpfad/lokale Route Nr. 573)
  • Meine Wanderzeit: 3 h
  • Distanz: 10,4 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 520 m



Sonntag, 16. September 2018

Sefinafurgge - Gamchigletscher - Hohtürli - Blüemlisalphütte - Oeschinensee: Berner Höhepunkte am Laufmeter (12. + 13. Etappe Via Alpina)

Blüemlisalpgletscher
Manchmal hat man mehr (Wetter-)Glück als Verstand: Als wir im Januar die Daten für die diesjährigen Via Alpina-Etappen festlegten und beschlossen, aus der 12. und 13. Etappe eine Dreitagestour zu machen, konnten wir nicht einmal hoffen, dass wir mit der eher zufälligen Terminwahl wettermässig voll ins Schwarze resp. ins Blaue treffen würden: Die Königsetappe brachte Kaiserwetter!

Das Bähnchen von Interlaken nach Lauterbrunnen war mehr als nur überfüllt und als ich mich bei der Sitznachbarin nach dem Grund für den Andrang erkundigte, outete ich mich als völliger Banause: Es war natürlich Jungfrau-Marathon! Vom Bähnchen aus hatten wir einen Logenplatz auf die beiden führenden Läufer, die wir zweimal einholten. In Lauterbrunnen reihten sich die Zuschauer am Strassenrand, doch wir liessen den Marathonrummel schnell hinter uns. Die Wanderung begann mit einem Aufstieg durch den Wald und wir überquerten zahlreiche Bäche, die weiter unten über die senkrechten Felswände stürzen und die Wasserfälle bilden, für welche Lauterbrunnen berühmt ist.

Sefibach
In Mürren machten wir - passend zur Strecke - auf der Terrasse des Hotel Alpina eine Rast, bevor es kurz nach Spilboden ganz unterwartet eine ziemlich heftige Steilstufe zu überwinden galt. Danach ging es fast flach immer weiter hinein ins Sefinental bis zur Rotstockhütte, wo wir die Nacht verbrachten.

Am nächsten Tag stand die anstrengendste Etappe der bisherigen Via Alpina-Strecke an. Entsprechend begann er mit einem Aufstieg: Zuerst eher sanft, dann immer steiler wurde der Weg zur Sefinafurgge hinauf. Unterwegs konnten wir ein paar Murmeltiere beobachten, die sich von uns nicht im geringsten gestört fühlten. Im abschüssigen, mit Seilen gesicherten letzten Stück kurz vor der Passhöhe behauptete Reto, dass wir damit die steilste Stelle des Tages hinter uns hätten - Fake News, wie wir schon da ahnten.

Gamchigletscher
Auf der Sefinafurgge (2'611 m) konnte man einerseits einen letzten Blick zurück auf Eiger, Mönch und Jungfrau werfen, andererseits sah man - fast auf Augenhöhe - bereits das Tagesziel: Die Blüemlisalphütte zeichnete sich deutlich gegen den blauen Himmel ab. Leider lag zwischen uns und der Hütte ein tiefer Taleinschnitt. Wir verliessen die Via Alpina, die einen Schlenker über die Griesalp macht; einen Umweg, den wir uns ersparen wollten. Stattdessen steuerten wir scheinbar direkt auf die Blüemlisalphütte zu und vernichteten beim Abstieg all die Höhenmeter, die wir soeben mühsam gewonnen hatten.

Der Weg führte quer durch schottrige Abhänge, doch jemand hatte sich sehr viel Mühe gemacht, einen sicheren Pfad durch das lose Gestein zu legen. Eine kurze Leiter, um einen Absatz zu überwinden, gab es auch noch. Nach einer scharfen Linkskurve hatten wir dann plötzlich freie Sicht auf den (sehr kläglichen) Rest des Gamchigletschers an der gegenüberliegenden Bergflanke. Über uns auf einem Felsvorsprung thronte die Gspaltenhornhütte. Wir verzichteten aber auf einen Abstecher - selbst die Aussicht auf Kaffee und Kuchen war uns die zusätzlichen Höhenmeter nicht wert. Stattdessen stiegen wir weiter zum Talgrund ab und kamen dem Gletscherabbruch immer näher.

Blüemlisalphütte im Morgenlicht
Der Wanderweg, welcher das Gletscherbett überquert, ist sorgfältig mit unzähligen Pfosten und Stangen markiert. Ob es irgendwo unter dem Schutt noch Eis hat - wie die Landkarte suggeriert -, bezweifelte ich aber. Die Klimaerwärmung war wohl schneller als Swisstopo. Das Schmelzwasser hat sich tief in den Fels gefressen und enge Schluchten hinterlassen, über welche schmale Brücken führen. Die Überquerung des "Gletschers" in dieser hochalpin anmutenden Umgebung aus Fels und Eis war eindeutig ein Höhepunkt der bisherigen Via Alpina.

Als wir auf der anderen Talseite ankamen, war vor allem eines klar - ab jetzt würde es nur noch aufwärts gehen. Richtig steil wurde es aber erst, als wir am Hohtürlihang wieder in die offizielle Via Alpina-Route einbogen. Mehrere Wegspuren führten in Schlangenlinien die abschüssige Matte hoch und zusammen mit zahlreichen anderen Wanderern quälte ich mich Meter um Meter hoch - ich hatte schon lange nicht mehr so gelitten bei einem Aufstieg!

Oeschinensee
Nachdem der Grashang endlich bewältigt war, kamen dann zum Abschluss die unzähligen Holztreppen, die der Felswand entlang führen. Unterschiedliche Stufenhöhen verstärkten die Qual. Doch dann war es geschafft und das Hohtürli (2'778 m), der höchste Passübergang der Via Alpina, erklommen! Von da waren es nur noch ein paar Minuten bis zur Blüemlisalphütte (2'840 m). Und auf der sonnenbeschienen Terrasse der Hütte, den Blüemlisalpgletscher in Griffnähe und mit Sicht bis auf den Thunersee, war die Anstrengung wie weggeblasen.

Am nächsten Tag stand nur noch der Abstieg nach Kandersteg an und wir hätten eigentlich zur Abwechslung spät starten können - doch in einer fast vollbesetzten SAC-Hütte mit einer Frühstückszeit, die um 8 Uhr endet, ist an Ausschlafen nicht zu denken. Also waren wir wieder beizeiten unterwegs. Schnell verloren wir an Höhe und die Aussicht wechselte vom weissen Abbruch des Blüemlisalpgletschers zum türkisfarbenen Oeschinensee. An dessen Ufer machten wir eine letzte Pause, bevor es über einen breiten Wanderweg hinunter nach Kandersteg ging.

Noch zwei weitere Etappen sind dieses Jahr auf der Via Alpina geplant, bevor wir dann in der Lenk "überwintern".



Wanderinfos:
  • Gewandert: Samstag/Sonntag/Montag, 8./9./10. September 2018
  • Route: Lauterbrunnen - Mürren - Spilboden - Rotstockhütte (Samstag): Rotstockhütte - Sefinafurgge - Gamchigletscher - Oberloch - Hohtürli - Blüemlisalphütte (Sonntag); Blüemlisalphütte - Oberbärgli - Oeschinensee - Kandersteg (Montag) (12. und 13. Etappe der Via Alpina/nationale Route Nr. 1, mit Abweichung über den Gamchigletscher)
  • Unsere Wanderzeit: 3 h 50 min (Samstag); 5 h 45 min (Sonntag); 2 h 45 min (Montag)
  • Distanz: 12,3 km (Samstag); 13,5 km (Sonntag); 12,5 km (Montag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'460 m (Samstag); 1'700 m (Sonntag); 40 m (Montag)
  • Übernachten: Rotstockhütte (Samstag); Blüemlisalphütte SAC (Sonntag)
  • Weitere Etappen der Via Alpina gibt es hier


Sonntag, 2. September 2018

Wildstrubel-Überschreitung: Eindrückliches Schlechtwetterprogramm

Plaine Morte mit Wildstrubel (rechts)
Der Wildstrubel und das Wetter - das scheint sich zu einer Fortsetzungsgeschichte zu entwickeln: Im letzten Winter war das Wetter zu schlecht gewesen, um ihn mit den Schneeschuhen zu besteigen, dieses Mal war er das "Schlechtwetterprogramm", weil die Hoffnung bestand, dass die angesagte Wetterbesserung den Wildstrubel vor dem ursprünglich anvisierten Vrenelisgärtli erreichen würde.

Von der Wetterbesserung war aber zunächst nichts zu sehen: Die Wolken hingen tief in den senkrechten Felswänden, als wir nach einer kurvenreichen Fahrt auf dem schmalen Strässchen auf der Iffigenalp aus dem voll besetzten Bus stiegen. Der Aufstieg zur Wildstrubelhütte führte über eben diese Felswände, doch der teilweise in den Fels gehauene Weg war problemlos zu begehen. Dafür setzte bald der Regen ein und für eine einigermassen trockene Pause mussten wir in der Blattihütte, einem leeren Schafstall, Zuflucht suchen. Kurz danach hatten wir die gleiche Höhe wie die Wolken erreicht. Damit hörte zwar der Regen auf, dafür reduzierte sich die Sicht auf ein paar wenige Meter. Der Weg wurde immer steiler und die Landschaft - soweit sichtbar - immer steiniger bis wir unvermittelt direkt vor der Hütte standen.

Wildstrubelhütte am Morgen
In der äusserst gemütlichen Wildstrubelhütte wurden wir freundlich empfangen und als wir aufgewärmt und getrocknet beim Apéro sassen, setzte draussen der Schneefall ein. Dieser hielt die ganze Nacht an, so dass am nächsten Morgen gute zehn Zentimeter Neuschnee auf der Hüttenterrasse lagen und der Hüttenwart nach der Schneeschaufel greifen musste. 

Die Stimmung beim Abmarsch war fast so bedeckt wie der Himmel. Doch dann kam die Überraschung: Nach nur ein paar Meter Aufstieg erreichten wir die Wisshorelücke und auf einmal waren die Wolken wie verschwunden. Im Süden herrschte schönstes Wetter mit blauem Himmel soweit wir sehen konnten! 

Unter uns lag die weisse Fläche der Plaine Morte, die wir kurze Zeit später erreichten. Wir seilten uns an, die Steigeisen liessen wir hingegen im Rucksack; dank dem Schneefall war der Gletscher auch ohne problemlos begehbar. Die Überquerung der Eisfläche war ein reiner Genuss. Der anstrengende Teil der Tour kam dann, als wir am Fuss des Wildstrubels den Gletscher verliessen: Fünfhundert steile Höhenmeter lagen vor uns.

Der Wildstrubel ist wohl ein ziemlicher Schotterhaufen, doch überpudert mit dem Neuschnee erinnerte er mich an eine riesige gezuckerte Praline. Leider war beim Aufstieg nur die Aussicht auf die umliegenden Berge süss, der Rest war ziemlich anstrengend und zweimal dachte ich, kurz vor dem Ziel zu stehen, nur um festzustellen, dass hinter der Kuppe nochmals eine Kuppe lag, bevor dann tatsächlich das Gipfelkreuz in Sicht kam.
Plaine Morte
Auf dem ausgedehnten Gipfel des Wildstrubels (3'244 m) machten wir eine ebenso ausgedehnte (Foto-)Pause. Die Rundumsicht und insbesondere der Blick hinunter zur Gemmi waren überwältigend. Dieser zeigte aber auch, dass wir noch einen langen und vor allem steilen Abstieg vor uns hatten. Diesmal schnallten wir für den Gletscher unsere Steigeisen an. Der Wildstrubelgletscher ist nicht nur einiges abschüssiger als die Plaine Morte, sondern auch spaltenreicher. Doch Markus, unser Bergführer, führte uns sicher um alle Spalten herum.
Wildstrubel

Über den Moränenschutt, welcher der schmelzende Gletscher zurückgelassen hatte, und entlang von zahlreichen Bächen erreichten wir schliesslich die Lämmerenhütte, wo wir uns eine Stärkung genehmigten, bevor wir auf dem Wanderweg das letzte kurze Stück zum Gemmipass wanderten. 

Obwohl eigentlich nicht so geplant, war diese Wildstrubel-Überschreitung ein Höhepunkt der diesjährigen Hochtourensaison gewesen und ein eindrückliches Erlebnis, das ich nicht so schnell vergessen werde. Und das Vreneli besuche ich im nächsten Jahr.




Wanderinfos:
  • Gewandert: Samstag/Sonntag, 25./26. August 2018
  • Route: Iffigenalp - Blattihütte - Stiereläger - Rawilseeleni - Wildstrubelhütte (Samstag); Wildstrubelhütte - Wisshorelücke - Glacier de la Plaine Morte - Wildstrubel - Wildstrubelgletscher - Lämmerenhütte - Lämmerenboden - Gemmipass (Sonntag)
  • Unsere Wanderzeit: 3 h 15 min (Samstag); 7 h (Sonntag)
  • Distanz: 6 km (Samstag); 16,8 km (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'240 m (Samstag); 850 m (Sonntag)
  • Übernachten: Wildstrubelhütte SAC





Sonntag, 19. August 2018

Zu Fuss über die Lauberhornabfahrt (11. Etappe Via Alpina)

Eiger im Abendlicht
"Sanft der Aufstieg über gewellte Matten zur kleinen Scheidegg" hiess es in der offiziellen Beschreibung der elften Etappe der Via Alpina. Das versprach ein gemütliches Wanderwochenende, zumal wir die Strecke von Grindelwald nach Lauterbrunnen auch noch auf zwei Tage aufgeteilt hatten. Entsprechend trudelten wir erst gegen Mittag in Grindelwald ein.

Dass das Dorf direkt unter der imposanten Eigernordwand ein Touristenmagnet ist, erkannte man nicht nur an den Menschenmassen, sondern auch an den Wanderwegen: Diese waren breit und über weite Strecken sogar asphaltiert - meine hohen Wanderschuhe hätte ich getrost zu Hause lassen können. Wir waren auch bei weitem nicht die einzigen Wanderer, die unterwegs waren, doch die meisten kamen uns entgegen, weil sie den Weg umgekehrt machten, nämlich von der kleinen Scheidegg abwärts - was mir ehrlich gesagt keine schlechte Idee schien, denn so sanft war der Aufstieg dann doch nicht.

Jungfraujoch
Leider verdeckten ein paar Wolken die Sicht auf die Berner Bergprominenz, so dass wir Diskussionen darüber führten, welche der steilen Felswände denn nun tatsächlich die Eigernordwand sei - während wir direkt unter ihr standen. Klarheit über das Bergpanorama bekamen wir schliesslich, als wir auf der Terrasse des Berghauses Grindelwaldblicks beim Apéro sassen und die Wolken begannen, sich zu verziehen. In der Nacht war dann der Himmel so klar, dass wir dank der Perseiden sogar ein paar Sternschnuppen sahen.

Am nächsten Tag hätte die Strecke eigentlich direkt hinunter nach Lauterbrunnen geführt. Auf Vorschlag von Rico beschlossen wir, ein paar extra Höhenmeter in Kauf zu nehmen, um einmal selber die berühmte Lauberhornabfahrt zu erleben - wenn auch nur zu Fuss und ganz ohne Schnee. Von der Lauberhornschulter ging es via Russisprung zum Hundschopf (der auch zu Fuss ziemlich steil ist) und zur Minschkante und schliesslich durch den erstaunlich engen Tunnel unter der Bahn durch. Es dauerte einiges länger als zweieinhalb Minuten, bis wir schliesslich in Wengen ankamen.

Lauterbrunnental
Von dort war es dann nur noch ein kurzer Restabstieg durch den Wald, immer wieder mit einem guten Blick auf die senkrechten Felswände, welche das Lautbrunnental umschliessen.

Auf der gegenüberliegenden Seite erkannte man bereits, wo die nächste Etappe durchführen würde - und in deren Beschreibung steht nichts mehr von sanft.








Wanderinfos:

  • Gewandert: Samstag/Sonntag, 11./12. August 2018
  • Route: Grindelwald - Brandegg - Alpiglen - Kleine Scheidegg (Samstag); Kleine Scheidegg - Lauberhornschulter - Hundschopf - Allmend - Wengen - Lauterbrunnen (11. Etappe der Via Alpina/nationale Route Nr. 1 mit Abweichung über den Lauberhorn Trail)
  • Distanz: 9,8 km (Samstag); 11,2 km (Sonntag)
  • Unsere Wanderzeit: 2 h 45 min (Samstag); 3 h (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'130 m (Samstag); 230 m (Sonntag)
  • Übernachten: Berghaus Grindelwaldblick
  • Weitere Etappen der Via Alpina gibt es hier

Sonntag, 12. August 2018

Verlockungen auf der Via Alpina (10. Etappe Via Alpina)

Es stand wieder ein Via Alpina-Wochenende auf dem Programm und angesichts einer anstrengenden Arbeitswoche und der trüben Wetteraussichten konnte ich mich nicht zu einem frühen Aufstehen motivieren und beschloss daher, etwas später zu starten. Rico sah die Sache wohl ähnlich und so trafen wir zu zweit kurz vor Mittag mit gut zwei Stunden Rückstand auf den Rest der Gruppe in Meiringen ein.

Wir entschlossen uns, das Reichenbachbähnchen zu nehmen, um uns die ersten Höhenmeter zu sparen (recte: um eine bessere Aussicht auf den Reichenbachfall zu haben). Beim Aussteigen aus der Bahn wurden wir das erste Mal nass - nicht vom Regen, sondern vom Gischt des Reichenbachfalls. Entlang des berühmten Wasserfalls machten wir uns an den Aufstieg. Der leichte Regen liess schon fast ein Nostalgiegefühl bezüglich der letztjährigen Via Alpina-Etappen hochkommen. Über den mit Natursteinen gepflasterten Weg wanderten wir unter dem Regenschirm ins Tal hinein. Richtig wohl bei diesem Wetter fühlten sich die Bergsalamander, die unseren Weg kreuzten.

Bei Kaltenbrunnensäge, wo wir die Mittagspause geplant hatten, holten wir bereits den Rest unserer Gruppe ein - offenbar hatten diese die Wanderung in eine Beizentour umgewandelt. Rico und ich gönnten uns im gemütlichen Bergrestaurant eine üppige Käseschnitte, schliesslich waren wir schon fast zwei Stunden unterwegs. Den Kaffee gab es dann ein Stück weiter im Garten des historischen Hotels Rosenlaui, wo man die Sonnen- zu Regenschirmen umfunktioniert hatte und ein umtriebiger Kellner die nassen Tische mit dem Fensterwischer trocknete.

Trotz all der kulinarischen Zwischenhalte erreichten wir unsere Unterkunft auf der Schwarzwaldalp früh genug, um noch mit dem Bus auf die Grosse Scheidegg zu fahren für ein spontanes Apéro (recte: zur Routenrekognoszierung).

Schon als wir wieder zurück auf der Schwarzwaldalp waren, begannen sich die dichten Wolken zu verziehen und am nächsten Tag war von ihnen gar nichts mehr zu sehen. Erneut machten wir uns auf den Weg zur Grossen Scheidegg, diesmal zu Fuss. Auf der Grossen Scheidegg (1'962 m) fand gerade ein Schwingfest statt, doch keiner meiner Mitwanderer liess sich dazu bringen, einen Hosenlupf mit den Bösen zu wagen.

Tom, der Organisator des Wochenendes, verführte uns dann aber, von der vorgegebenen Via Alpina-Route abzuweichen und stattdessen dem Höhenweg zur First zu folgen. Er lockte uns mit dem Versprechen auf die bessere Aussicht auf die Bergwelt und zugegebenermassen konnte er dieses Versprechen auch halten. Mit stetiger Aussicht auf den Eiger folgten wir dem beliebten Wanderweg. Bei der First (2'165 m) trennte sich dann unsere Gruppe: Einige wollten zur Mittagspause direkt ins Restaurant, andere zu einem nahen Bergsee. Einzelne waren auch bereits unterwegs in ein Seitental abgebogen.

Ich entschloss mich, direkt abzusteigen. Die Herausforderung dabei war nicht nicht die Steilheit, sondern die Wegfindung: An praktisch jeder Kreuzung gab der Wegweiser mindestens drei Varianten für Grindelwald an, teilweise sogar in die Richtung, aus der ich gerade gekommen war. Es schien, als würde jeder Weg - egal in welche Himmelsrichtung - nach Grindelwald führen; welches der kürzeste war, war dagegen nur schwer zu eruieren.



Wanderinfos:

  • Gewandert: Samstag/Sonntag, 28./29. Juli 2018
  • Route: Meiringen (Reichenbachfall) - Kaltenbrunnensäge - Rosenlaui - Schwarzwaldalp (Samstag); Schwarzwaldalp - Alpligen - Grosse Scheidegg - Chiemattenhubla - Chalberboden - First (Sonntag) (bis Grosse Scheidegg Etappe 10 der Via Alpina/nationale Route Nr. 1)
  • Unsere Wanderzeit: 2 h 30 min (Samstag); 4 h 15 (Sonntag)
  • Distanz: 7,8 km (Samstag); 17,5 km (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 600 m (Samstag); 840 m (Sonntag)
  • Übernachten: Chalet-Hotel Schwarzwaldalp
  • Weitere Etappen der Via Alpina gibt es hier



Sonntag, 5. August 2018

Gratwanderung extrem: Gewitter, Hagelschauer und eine Schlägerei

Augstbordgrat
Nach zwei Hitzewochen schien mir für den 1. August die Wanderung über den Augstbordgrat nicht nur phonetisch passend, sondern versprach angesichts der Höhe von fast 3'000 m auch eine willkommene Abkühlung und mit der T4-Kraxelei sogar etwas Nervenkitzel. Am Ende bekam ich mehr Abkühlung und Nervenkitzel als mir lieb war:

Der Nervenkitzel begann bereits im Zug, als einem Mitwanderer die Kamera (und das Lunchsäckli) aus dem Rucksack gestohlen wurde und der Dieb, als er in flagranti ertappt wurde, dem Besitzer eine reinhaute. Ein Polizeiaufgebot wartete am nächsten Bahnhof und für Täter wie Opfer endete die Fahrt auf einem Polizeiposten in Bern. Für den Rest von uns ging es weiter ins Wallis und wir dachten, dass wir damit den aufregendsten Teil des Tages bereits hinter uns hatten.

Augstbordhorn
Auf der Moosalp liessen wir die berühmten Crèmeschnitten links liegen und machten uns direkt an den Aufstieg. Bald hatten wir den breiten Grat erreicht, der auf den ersten Gipfel des Tages, das Violenhorn (2'876 m), führt. Von dort hatte man nicht nur mit dem Augstbordhorn den nächsten Gipfel in Sicht, sondern konnte den ganzen Grat bis zum eigentlichen Tagesziel, dem Dreizehntenhorn, überblicken. Die gesamte Gegend war felsig und karg und besonders der Aufstieg zum Augstbordhorn zeigte deutlich, dass die ganze Gipfelkette aus einem einzigen felsigen Schutthaufen besteht - ein Umstand, der noch Spuren an meinen Beinen hinterlassen würde.

Bei der Pause auf dem Augstbordhorn (2'973 m) waren zwar bereits einige der umliegenden Gipfel hinter den Wolken versteckt, doch gemäss Wetterradar sollten wir genug Zeit haben, unsere Wanderung wie geplant fortzusetzen. Ein erstes Donnergrollen, das vorbeizog, sassen wir kurz abseits vom Grat aus.

Wir hatten gerade die ersten kraxeligen Stellen des Augstbordgrates erreicht, als das nächste Gewitter heranzog. Schnell scheuchte uns die Tourenleiterin vom ausgesetzten Grat weg. Wir kauerten uns oberhalb eines steilen Abhangs zusammen, deponierten die Wanderstöcke ein Stück entfernt und versuchten, uns so gut wie möglich gegen den einsetzenden Regen zu schützen. Das ging ganz gut - bis sich der Regen in Hagel verwandelte und erbarmungslos auf uns niederprasselte und nicht mehr aufzuhören schien. Ich hatte am Morgen meine kurzen Hosen angezogen, was sich als ganz schlechte Entscheidung entpuppte: Nicht nur sind Hagelkörner auf der Haut ziemlich schmerzhaft, das Wasser lief auch meinen nackten Beinen entlang direkt in meine Wanderschuhe - der Rest der Wanderung hatte ich das Gefühl, durch einen See zu waten.

Das Gewitter intensivierte sich und zweimal hatte ich das sehr unangenehme Gefühl, dass der Blitz direkt in der Nähe in den Grat einschlug. Als ich versuchte, die Regenhülle meines Rucksacks abzuziehen, um meine Beine damit zu schützen, glitt mir der Rucksack aus den Händen und rutschte - auch dank der gut gleitenden Regenhülle - gemächlich aber unaufhaltsam den Abhang herunter und über die Felsen hinaus. Ein Nachsteigen war zu gefährlich, ich schrieb ihn bereits als Totalverlust ab.

Violenhorn
Als das Gewitter sich kurzzeitig entfernte, wagten wir uns vorsichtig weiter. Der Regen und Hagel hatte die Felsen auf dem ausgesetzten Gratweg rutschig werden lassen. Unsere Tourenleiterin fand schliesslich eine geeignete Stelle, wo wir den Grat endgültig verlassen konnten. Der improvisierte Abstieg führte über ein lockeres Geröllfeld und wir mussten aufpassen, keine Steinlawine auszulösen. Innert kürzester Zeit waren meine ungeschützten Beine - die sich gerade von meinen Kletterversuchen erholt hatten - von Steinen zerkratzt. Dafür rettete die Tourenleiterin meinen verloren geglaubten Rucksack!

Besser wurde es, als wir ein Schneefeld erreichten, welchem wir folgen konnten. Beim See im Talkessel stiessen wir wieder auf den Wanderweg. Wir waren erleichtert, den Grat und das Geröllfeld sicher hinter uns gelassen zu haben, doch für eine Ruhepause blieb keine Zeit: Einerseits drohte uns das Gewitter wieder einzuholen, andererseits mussten wir uns beeilen, den Bus zu erwischen. Der lange Abstieg führte zunächst entlang von Skiliften, später erreichten wir den Wald, wo der Weg einer sprudelnden Suone folgte. Bei schönerem Wetter - und einem gemächlicheren Tempo - wäre der letzte Teil sicher eine sehr idyllische Wanderung.

Wir schafften schliesslich eine "Punktlandung" bzw. waren am Schluss knapp acht Minuten zu früh bei der Busstation. Nass, aber sonst unbeschadet, stiegen wir ins Postauto. Auf der langen Heimreise blieb genügend Zeit, um über vorhersehbare und unvorhersehbare Wetterumschwünge im Gebirge nachzudenken und über Demut gegenüber Naturgewalten. Nachdem meine Wanderschuhe nach zwei Tagen endlich wieder trocken waren, stand für mich aber fest: Die Wanderung über den Augstbordgrat hole ich - bei stabilem Sonnenschein - nach!



Wanderinfos:

  • Gewandert: Mittwoch, 1. August 2018
  • Geplante Route: Moosalp - Violenhorn/March - Augstbordhorn - Augstbordgrat (T4) - Dreizehntenhorn - Grosser See - Obers/Unters Sänntum - Alte Suon - Bürchen




Sonntag, 29. Juli 2018

Lange Abstiege, steile Aufstiege und noch mehr Büsserschnee (Jungfrau-Trekking Teil 2/2)

Jungfrau im Morgenlicht
Das fünftägige Gletschertrekking ging ohne Pause weiter: Von der Hollandiahütte stiegen wir durch die Lötschenlücke und über den Langgletscher ins Lötschental ab. Auch hier erwartete uns wieder Büsserschnee, doch am Morgen waren die Schneehügelchen noch leicht gefroren und mit den Steigeisen im Vergleich zum Vortag geradezu mühelos zu begehen.

Wirklich lang ist der Langgletscher im Übrigen nicht (mehr). Schon bald konnten wir die Steigeisen ausziehen und kraxelten über die vom Gletscher glattgeschliffenen Felsen. Dabei stiessen wir auf eine Strahlerhöhle und wurden augenblicklich vom Kristallfieber gepackt, das uns im vom Strahler zurückgelassenen Schutt nach übersehenen Kristallen wühlen liess. Die Ausbeute war indes bescheiden.

Langgletscher
Eine kurze Abseilaktion später liessen wir Schnee und Eis definitiv hinter uns und stiegen in das immer grüner werdende Lötschental ab. Auf der wunderschönen Terrasse der Anenhütte machten wir Mittagspause. Die Anenhütte ist offenbar auch ein beliebtes Ziel für einen Tagesausflug, auf jeden Fall war es es plötzlich vorbei mit der Einsamkeit und wir mussten die Wege mit zahlreichen Mitwanderern teilen.

Die Nacht verbrachten wir im Hotel Fafleralp und niemand protestierte, dass man zur Abwechslung wieder warm duschen konnte. Das Hotel kann mit einer hervorragenden Küche aufwarten - nach der langen Wanderung war uns aber die Quantität wichtiger als die Qualität, doch der Küchenchef hatte schliesslich Erbarmen mit uns hungrigen Bergwanderern und gewährte uns einen grosszügigen Nachschlag.

Über den Büsserschnee zum Petersgrat
Am nächsten Tag stand dann die längste und anstrengendste Etappe der Tour an. Nachdem wir bis dahin mehrheitlich abgestiegen waren - dem hohen Startpunkt auf dem Jungfraujoch sei Dank - stand nun ein Aufstieg von 1'400 Höhenmeter an. Die Route gab uns auch keine Möglichkeit zum langsamen Warmlaufen, denn flach waren höchstens die ersten paar Meter, bis wir die (junge) Lonza überquert hatten und ins Uisters Tal einbogen. Dann ging es nur noch aufwärts, je länger je steiler. Hoch über uns sahen wir bereits die weisse Krete des Petersgrates.

Auf dem Petersgrat befindet sich auch ein Helikopterlandeplatz, entsprechend geschäftig ging es in der Luft zu und her. Gut zweihundert Höhenmeter unter dem Grat erreichten wir den Firn, welcher - wer mag das noch erstaunen - ebenfalls dicht mit Büsserschnee bedeckt war. Soviel kann man gar nicht sündigen, wie wir in dieser Woche büssen mussten!

Direkt neben dem Helikopterlandeplatz (der nicht mehr ist als ein Pfosten im Schnee) erreichten wir den Kamm, welchem wir bis zum höchsten Punkt des Petersgrates (3'202 m) folgten. Dieser bot einen ungewohnten Blick auf die felsige Rückseite der Blüemlisalp. Auf dem Petersgrat hatten wir auch die Kantonsgrenze überschritten und auf der Berner Seite ging es hinab bis zur Mutthornhütte.

Der Hüttenwart begrüsste uns mit Tee und wir hatten nicht nur die Terrasse, sondern die ganze Hütte für uns. Auf den Liegestühlen tranken wir das wohlverdiente Bier und sahen den vorbeiziehenden Wolken zu. Eine tolle Aussicht auf den Petersgrat und Kanderfirn bot übrigens nicht nur die Terrasse, sondern auch die neue Toilette der Hütte.

Abstieg ins Lauterbrunnental
Am nächsten Morgen brach bereits der letzte Tag des Trekkings an. Das letzte Mal montierten wir die Steigeisen und stiegen über den Tschingelfirm ab, immer direkt auf die Jungfrau zuhaltend, die wir in dieser Woche fast umrundet hatten. Als wir den aperen Teil des Gletschers erreichten, hatten wir auch den Büsserschnee endgültig hinter uns gebracht - ich werde vermutlich noch wochenlang von Schneehügeln träumen. Kurz darauf hörte der Gletscher ganz auf und wir wanderten über die Endmoräne dem Lauterbrunnental entgegen.

Je tiefer wir kamen, desto grüner und vielfältiger wurde die Vegetation und desto mehr holte uns auch die sommerliche Hitze ein. Beim Zwischenhalt auf der Terrasse des Bergrestaurant Obersteinberg tauschte ich meine Hochtourenhosen gegen Shorts.

Entlang von Wildbächen und unzähligen Wasserfällen, die von allen Seiten ins Tal hinabstürzten, erreichten wir schliesslich Stechelberg und beim Abschlussbier im schattigen Garten des Restaurants Stechelberg liessen wir die fünf Tage Revue passieren. Mein Fazit: Es war eine wunderschöne Tour gewesen durch eine spektakuläre Berg- und Gletscherwelt bei bestem Bergwetter! Und ohne den Büsserschnee wäre sie (fast) zu wenig anstrengend gewesen.

Den ersten Teil des Trekkings findet sich hier.




Wanderinfos:
  • Gewandert: Montag - Freitag, 16. - 20. Juli 2018
  • Route: Hollandiahütte - Lötschenlücke - Langgletscher - Fafleralp (Mittwoch); Fafleralp - Uisters Tal - Üsser Talgletscher - Petersgrat - Mutthornhütte (Donnerstag); Mutthornhütte - Tschingelfirn - Obersteinberg - Stechelberg (Freitag)
  • Unsere Wanderzeiten: 4 h 30 min (Mittwoch); 6 h (Donnerstag); 4 h 30 min (Freitag)
  • Distanz: 11,9 km (Mittwoch); 12 km (Donnerstag); 14 km (Freitag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 150 m (Mittwoch); 1'400 m (Donnerstag); 120 m (Freitag)
  • Übernachten: Hotel Fafleralp, Fafleralp (Mittwoch); Mutthornhütte SAC (Donnerstag)