Sonntag, 29. Oktober 2017

Windspitzen und Tessiner Sonnenuntergänge

@wandernohneende
Claude hatte für das letzte verlängerte Wanderwochenende der Saison nicht nur die perfekte Gegend, sondern auch - kräftig unterstützt vom Nordföhn - das perfekte Wetter ausgesucht. Der warme Wind, der für das durchgehend sonnige Wetter sorgte, blies uns aber in den drei Tagen einige Male heftig um die Ohren.

Die Tour begann in Cimadera, einem kleinen Tessinerdörfchen zuoberst im Val Colla. Der kurze Aufstieg von Cimadera zur Capanna Pairolo führte über Laub bedeckte Waldwege, so dass es bei jedem Schritt raschelte. Die tiefstehende Sonne tauchte die Landschaft in ein warmes Licht. Wir erreichten die Hütte gerade rechtzeitig, um zu beobachten, wie die Sonne schliesslich ganz hinter dem Monte Rosa-Massiv unterging. In der gemütlichen Hütte waren wir praktisch die einzigen Gäste und konnten uns daher im Gastraum vor dem offenen Kamin und im geräumigen, dreistöckigen Massenlager ausbreiten.

Die geplante Wanderung folgte dem Sentiero Lago di Lugano, welcher in einem grossen Bogen um das Val Colla führt, so dass man - einer Arena gleich - von Anfang an die ganze Strecke überblicken konnte. Am Samstag stiegen wir entlang dem schweizerisch-italienischen Grenzgrat hoch und der Pfad schlängelte sich durch Wälder und über zerklüftete Felsen zwischen den Grenzsteinen hin und her. Von diversen Aussichtspunkten aus hatte man freie Sicht auf Luganersee, Lago Maggiore und den Alpenbogen vom Monte Rosa über die weiteren Walliser Viertausender (inkl. Allalinhorn) bis zum höchsten Berner, dessen markante, schneebedeckte Spitze in der Sonne glänzte.

@wandernohneende
Luganersee und Alpenbogen

Der erste Gipfel des Tages für uns war der Cima di Fojorina mit bescheidenden 1'807 m. Der heftige Wind nahm einem aber die Lust, hier eine längere Rast einzulegen. Stattdessen stiegen wir in Richtung Passo di San Lucio ab. Dort stehen - nur wenige Meter voneinander entfernt, aber getrennt durch die Landesgrenze - eine schweizerische und eine italienische Hütte. Wir hatten die schweizerische als Zwischenhalt vereinbart und wollten die Wartezeit mit einem Glas Wein und einem kleinen Imbiss verkürzen. Leider war der Wirt, der den vollbesetzten Gastraum nicht nur alleine bedienen, sondern auch bekochen musste, etwas überfordert. Zudem sprach er nur Italienisch (und wir nicht), so dass wir dachten, wir hätten die ganze Karte bestellt, während er verstanden hatte, dass wir es uns noch überlegen würden. Doch bis Claude auch noch das letzte seiner verirrten Schäfchen eingesammelt hatte, kamen wir doch noch zu unserem Mittagessen.

@wandernohneende
Grat Richtung Gazzirola
Nach der ausgiebigen Pause waren wir zumindest genügend ausgeruht für den Hauptanstieg des Tages: Über eine Wind ausgesetzte Grasflanke führte der Weg immer aufwärts. Von weitem sah man ein grosses Kreuz, so dass man das Ziel deutlich vor Augen zu haben schien. Entsprechend beglückwünschte ich mich für meine Leistung, als ich das Kreuz endlich erreicht hatte - nur um Minuten später beim nächsten Wegweiser festzustellen, dass der höchste Punkt noch vor mir lag. Wenigstens war es bis zum Gazzirola (2'112 m) nicht mehr weit. Im Gegensatz zum namenlosen, markant bekreuzten Punkt 2'091 gab es auf diesem Gipfel nur einen mickrigen Steinhaufen.

Unterdessen hatte der Föhn nochmals zugelegt und beim Abstieg über den Grat holten mich die Windböen zeitweise fast von den Beinen. Die offizielle Route des Sentiero Lago di Lugano hätte weiter über den Monte Bar geführt, doch darauf verzichteten wir. Stattdessen stiegen wir bei der Alpe Pietrarossa vom Grat hinunter und wanderten der - mehr oder weniger windgeschützten - Talflanke entlang zum Tagesziel, der Capanna Monte Bar. Es dauerte schliesslich aber ein paar Kurven mehr als gedacht, bis die Hütte, welche exponiert am Hang liegt, endlich in Sicht kam.

@wandernohneende
Capanna Monte Bar SAC
Die Capanna Monte Bar wurde im Jahr 2016 neu erbaut und ist die modernste SAC-Hütte, in welcher ich bisher war. Wir waren in komfortablen 4er-Zimmern untergebracht und genossen die warme Dusche. Das Beste an der Hütte war aber eindeutig der Gastraum mit seiner bis zum Boden reichenden Fensterfront, welche einen atemberaubenden Blick über das Luganer Seebecken bot. Bereits der Sonnenuntergang am Vorabend war schön gewesen, doch diesmal schien der Himmel zu brennen und wir hatten von der Capanna Monte Bar aus einen Logenplatz, um das Schauspiel zu beobachten.

Beim Frühstück konnte man die Aussicht nochmals bei Tageslicht geniessen. Anschliessend holte ich mit dem Monte Bar noch den Gipfel (1'814 m) nach, den wir am Vortag ausgelassen hatten. Dann begann der lange Abstieg: Die meisten hatten sich entschieden, nicht nach Süden, sondern nach Norden abzusteigen, was zwar eine etwas längere Wanderzeit bedeutete, welche durch die verkürzte Rückfahrtzeit aber mehr als kompensiert wurde. Damit folgten wir weiter dem ausgeschilderten Sentiero Lago di Lugano.

Auf abwechslungsreichen Zickzackpfaden durch Kastanienwälder, vorbei an kleinen Alpen und menschenleeren Weilern ging es über 1'000 Höhenmeter hinunter, bis wir schliesslich Medeglia im Val d'Isone erreichten. An der Sonne warteten wir auf den Bus - hinter dem Gotthard wartete der Regen auf uns.



Wanderinfos:
  • Gewandert: Freitag/Samstag/Sonntag, 27./28./29. Oktober 2017
  • Route: Cimadera - Capanna Pairolo (Freitag); Capanna Pairolo - Cima di Fojorina - Passo di San Lucio - Gazzirola - Pozzaiolo - Alpe Pietrarossa - Piandanazzo - Capanna Monte Bar (Samstag); Capanna Monte Bar - Monte Bar - Caval Drossa - Motto della Croce - Davrosio - Gola di Lago - Medeglia (Sonntag) (+/- Etappen 5 und 4 des Sentiero Lago di Lugano/regionale Route Nr. 52)
  • Unsere Wanderzeit: 1 h (Freitag); 5 h 45 min (Samstag); 3 h 40 min (Sonntag)
  • Distanz: 3,3 km (Freitag); 18 km (Samstag); 11,7 km (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 350 m (Freitag); 1'400 m (Samstag); 430 m (Sonntag)
  • Übernachten: Capanna Pairolo SAC (Freitag); Capanna Monte Bar SAC (Samstag)
  • Weitere Etappen des Sentiero Lago di Lugano finden sich hier




Sonntag, 22. Oktober 2017

Wirtschaftsförderung im Schwarzwald

Burgruine oberhalb Staufen
Das Aufgebot für das Wochenende war ziemlich kryptisch gewesen und bestand im Wesentlichen aus den scheinbar zusammenhangslosen Schlagworten Edeltraud, Faust, Staufen und einer Zugabfahrtszeit ab Basel SBB. Da ich aber sowohl den zuständigen Cheforganisator wie auch den Wanderleiter kannte, konnte ich mir den Rest zusammenreimen. Und ich wusste zum Vornherein, dass das Wochenende mit einer positiven Kalorienbilanz enden würde.

Pünktlich fand ich mich also in Basel ein, wo ich K, Cheforganisator T und Wanderleiter J traf, die alle ihre Namen nicht in meinem Blog veröffentlicht sehen wollen (was vermutlich besser ist, wenn man das Vertrauen in eine tragende Schweizer Staatsgewalt nicht zu sehr erschüttern möchte).

Die Bahnfahrt von Basel via Bad Krozingen nach Staufen im Breisgau dauerte gerade lange genug, um die erste Flasche Rotwein zu trinken. Staufen stellte sich dann als ein sehr niedliches Städtchen heraus, das sich damit rühmt, dass der historische Doktor Faust, der Goethe als Vorlage für sein Werk gedient hat, hier gelebt haben soll. Spätestens als wir direkt beim Eingang von unserem Hotel auf Mephisto trafen, zweifelte ich nicht mehr daran. Stilecht in der gemütlichen Fauststube des Restaurants Löwen assen wir zu Abend und testeten den lokalen Wein.

Fauststadt Staufen im Breisgau
Am anderen Tag schlenderten wir kurz über den kleinen Markt, bevor wir mit dem Taxi bis nach Münsterhalden fuhren, wo schliesslich der Wanderteil des Wochenendes begann.

Tagesziel war der (deutsche) Belchen, doch nicht auf direktem Weg, sondern mit zwei Zusatzschlenkern: Der eine Schlenker, weil T unbedingt in der Kälbelescheuer einkehren wollte, der zweite, weil Wanderleiter J Probleme bei der richtigen Wegfindung hatte. Pünktlich zum Mittagessen erreichten wir dann trotzdem die Almwirtschaft Kälbelescheuer und probierten lokale Bier-, Käse- und Fleischspezialitäten.

Als der Wind auffrischte, nahmen wir das als Zeichen, uns wieder auf den Weg zu machen, damit wir den Belchen noch vor der nahenden Regenfront erreichen würden. Zunächst führte die Strecke über Laub bedeckte Waldwege immer flach der Höhenlinie entlang. Ab Haldenhof - dieses Restaurant mussten wir leider auslassen - begann die Schlusssteigung. Am Horizont zwischen den Wolken konnte man die Alpenkette erahnen. Bei klarem Wetter muss der Ausblick atemberaubend sein.

Nach einem kurzen Halt auf dem Gipfel des Belchens ging es auf dem kürzesten Weg direkt ins Restaurant Belchenhaus zu Kaffee und Kuchen. So gestärkt brachten wir den kurzen Abstieg zu unserem Hotel in Belchen-Multen problemlos hinter uns. Nachdem wir die Hotelangestellte davon überzeugt hatten, dass wir mit unseren Wanderstöcken nicht den kostbaren Parkett zerkratzen würden (der sich übrigens als billiger Laminat herausstellte), reichte es sogar noch für ein Bad im hoteleigenen Schwimmbad. Als schliesslich der Regen einsetzte, sassen wir bereits in der gemütlichen Gaststube beim Abendessen.

Belchen DE
Damit man den ganzen Ausflug zumindest annähernd als "Wander"-Wochenende bezeichnen konnte, machten wir uns am Sonntagmorgen zunächst zu Fuss zum Wiedener Eck auf. Genau eine Stunde dauerte die Wanderung durch eine Gegend, welche nicht nur landschaftlich, sondern auch von der Besiedelung her ans Emmental erinnerte.

Beim Berghotel Wiedener Eck, wo wir auf den Bus warteten, war es bei bestem Willen noch zu früh zum Essen, doch nachdem wir die Angebotskarte studiert hatten, machten wir bereits Pläne, wie man die nächste Wanderung organisieren muss, um ein anderes Mal rechtzeitig zum Abendessen hier vorbeizukommen.

Um das Wochenende mit etwas Kultur abzurunden, machten wir einen kurzen Stopp beim Kloster Sankt Trudpert und schauten uns die Klosterkirche an. Danach mussten wir feststellen, dass Wanderleiter J Schwächen beim Lesen von ausländischen Fahrplänen hat. Daher mussten wir zu Fuss zur Bahnstation Münstertal laufen. Wenigstens reichte es dort noch gerade für einen kurzen Apéro im hübschen Restaurant Bahnhof, bevor der Zug zurück nach Staufen fuhr, wo wir rechtzeitig zum Mittagessen im Restaurant Hirschen eintrafen.

Belchenhaus
Auf der Rückreise waren die Anschlüsse so terminiert, dass man den Anschlusszug in Bad Krozingen um drei Minuten verpasste und eine Stunde auf den nächsten Zug nach Basel warten musste. Ich bin sicher, dass dies vom örtlichen Tourismusverband absichtlich so geplant wurde, denn freiwillig würde man kaum mehr Zeit als nötig in Bad Krozingen verbringen.

Zusammenfassend brachte dieses Wochenende die Erkenntnis, dass der Schwarzwald ein lohnendes Wandergebiet ist, es die beste Kürbiscremesuppe im Restaurant Löwen in Staufen gibt, den besten Rehrücken im Restaurant Belchen-Multen und das beste Bier in der Kälbelescheuer. Das Einzige, das ich nicht herausgefunden hatte, war, wer denn eigentlich Edeltraud ist.




Wanderinfos:

  • Gewandert: Freitag/Samstag/Sonntag, 20./21./22. Oktober 2017
  • Route: Münsterhalden - Kälbelescheuer - Haldenhof - Richtstatt - Belchen - Belchen-Multen (Samstag); Belchen-Multen - Lückle - Wiedener Eck (Sonntag)
  • Unsere Wanderzeit: 4 h 30 min (Samstag); 1 h (Sonntag)
  • Distanz: 16,7 km (Samstag); 4,3 km (Sonntag)
  • Höhenmeter: 900 m (Samstag); 180 m (Sonntag)
  • Übernachten: Hotel Restaurant Löwen, Staufen im Breisgau (Freitag); Hotel-Gasthof Belchen-Multen, Aitern (Samstag)






Sonntag, 15. Oktober 2017

Indian Summer im Engadin

Val Roseg
Das Graubünden ist für mich wandertechnisch unentdecktes Land und um das zumindest ein bisschen zu ändern, schloss ich mich wieder einmal den Wanderfreaks an.

Die Wanderung begann in Pontresina, was eine fast vierstündige Anfahrt bedeutete. Doch die lange Zugsfahrt war für sich alleine bereits ein Erlebnis, denn sie führte über die mit zahlreichen Tunnels und Brücken ausgestattete Albula-Linie (UNESCO-Welterbe, wie im Zug mehrfach betont wurde). Vom Zugsfenster aus konnte man zudem einen ersten Blick auf die gelb leuchtenden Lärchenwälder werfen.

Davon gab es dann aus nächster Nähe noch mehr, als wir von Pontresina aus ins Val Roseg einstiegen. Mit dem Bach, der sich in der Talsohle ausbreitete, den bunten Wäldern im Vorder- und den schneebedeckten Gipfeln vor tiefblauem Himmel im Hintergrund, konnte man sich fast in der kanadischen Wildnis wähnen.

Blick Fuorcla Surlej Richtung Bernina
Beim Hotel Roseg begann der steile Aufstieg zur Fuorcla Surlej. Mit jedem Höhenmeter wurde die Aussicht noch schöner und Zacken um Zacken schob sich das Berninamassiv in unser Blickfeld. Die gut 1'000 Höhenmeter wurden schliesslich aber doch anstrengender als ich erwartet hatte und es gab Momente, wo ich zu beschäftigt war mit Atmen, als dass ich der spektakulären Landschaft noch hätte genügend Beachtung schenken können. Das holten wir dann aber auf der Fuorcla Surlej (2'753 m) ausgiebig nach und machten unzählige Fotos von Piz Bernina und Biancograt, wie sie sich in einem kleinen Tümpel spiegelten.

Beim Abstieg in Richtung St. Moritz öffnete sich schliesslich der Blick auf die Engadiner Seenplatte und wir machten Pause beim angeblich schönsten Aussichtspunkt des Engadins: Ob das zutrifft, weiss ich nicht, die Sicht auf Silser- und Silvaplanersee, die blau unter uns in der tief stehenden Sonne glänzten, umgeben von gelben Lärchenwäldern, war auf jeden Fall kaum zu überbieten (langsam gehen mir zur Beschreibung dieser Wanderung die Superlative aus).

Silser- und Silvaplanersee
Via Hahnensee erreichten wir schliesslich St. Moritz. Ich hatte beschlossen, in St. Moritz zu übernachten, um so das Maximum aus der langen Anreise und dem Bilderbuchwetter des Wochenendes herauszuholen.

Am Sonntag startete ich gemütlich und nahm für einmal für die Überwindung der Höhenmeter die Bahn. Auf dem ersten Kurs am Morgen hatte es nur zwei Passagiere und so lud uns der Fahrer für die Fahrt nach Corviglia in den Führerstand der Standsteilbahn ein. Ein eindrückliches Erlebnis, direkt auf die Schienen und Metallseile blicken zu können!

Von Corviglia aus wanderte ich zu einem namenlosen, künstlichen See, der wohl vornehmlich dazu dient, die zahlreichen Schneekanonen, die bereits einsatzbereit auf den Wiesen standen, mit Wasser zu versorgen. Direkt dahinter lag der Lej Alv, der zwar kleiner war, aber wenigstens einen Namen hatte.

Im Führerstand nach Corviglia
Über eine breite Fahrstrasse ging es dann hinunter nach Marguns, bevor die einzige Steigung des Tages begann. Ich folgte der ausgeschilderten Via Engadina und der Weg schlängelte sich immer dem Hang entlang. Kein Wölkchen trübte die Sicht ins Tal und in Richtung Bernina. Der Himmel war so blau, es war schon fast langweilig. Bei der Alp Muntatsch begann schliesslich der lange Abstieg nach Samedan. Der Weg führte durch einen golden leuchtenden Lärchenwald und die Luft roch nach Tannennadeln und Harz. Ich genoss jeden Atemzug!

In Samedan passte es gerade auf den Zug, der via Zuoz und Vereinatunnel zurück ins Unterland fuhr, so dass ich auch diesen Teil des Engadins noch zu sehen bekam.



Wanderinfos:

  • Gewandert: Samstag/Sonntag, 14./15. Oktober 2017
  • Route: Pontresina - Val Roseg - Alp Surovel - Fuorcla Surlej - Crap Alv - Hahnensee/lej dals Chöds - St. Moritz (Samstag); Corviglia - Lej Alv - Glüna - Marguns - Alp Clavadatsch - Alp Muntatsch - Samedan (Sonntag)
  • Unsere Wanderzeit: 5 h 45 min (Samstag); 3 h 20 min (Sonntag)
  • Distanz: 20 km (Samstag); 13,7 km (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'015 m (Samstag); 300 m (Sonntag)
  • Übernachten: Hotel Hauser, St. Moritz




Mittwoch, 11. Oktober 2017

Pilatus: Die Bezwingung des Drachens

Blick auf die Berner Prominenz
Die Erkältung auskuriert, perfektes Wanderwetter angesagt, da stand dem nächsten Gipfelziel nichts mehr im Weg - abgesehen von 1'600 Höhenmeter. Mit dem Pilatus war diesmal ein markanter Innerschweizer an der Reihe. Der Wanderweg begann in Alpnachstad direkt bei der Talstation der Zahnradbahn, die auf den Pilatus fährt. Ein grosser Drache hing über der Bahnstation: Der Legende nach sollen die Drachen früher am Pilatus gehaust haben.

Der Charakter der Wanderung ist einfach zu beschreiben: Sie führt immer aufwärts. Auf dem Militärflughafen Alpnach war gerade die Helikopterflotte der Armee im Einsatz und sorgte beim Aufstieg für eine knatternde Geräuschkulisse. Die Route führte lange durch den Wald und irgendwann befürchtete ich schon, dass der Zickzack-Weg und die Bäume nie mehr enden würden.

In Ämsigen bei der Mittelstation der Pilatusbahn hatte ich den Wald endlich hinter mir. An der Station kreuzten gerade die roten Bähnchen und ich wäre vielleicht in Versuchung geraten einzusteigen, wenn ich nicht vollauf damit beschäftigt gewesen wäre, den tollen Blick auf den Vierwaldstättersee zu fotografieren.

Weiter ging es über Fels übersäte Wiesen. Als ich bei der Mattalp gegen ein Leistungstief kämpfte, überholte mich eine Trailrunnerin, die weniger ausser Atem war als ich - verrückte Leute gibt's! Hoch oben kam die Bergstation des Pilatus in Sicht und Alphornklänge drangen herunter. Die letzten zweihundert Höhenmeter führten über ein ausgedehntes Geröllfeld und plötzlich schlug mir ein unangenehmer Toilettengeruch entgegen. Offenbar führt die Abwasserleitung des Kulms direkt unter dem Wanderweg durch.

Aus einem vorbeifahrenden Bähnchen winkten mir chinesische Touristen zu und machten Fotos, wie ich die letzten Meter hochschnaufte. Und dann war ich mitten drin im regen Treiben. Ich folgte den zahlreichen Touristen aus aller Welt zu den diversen Aussichtspunkten, welche der Pilatus (2'067 m) bietet. Die Berner Alpen schienen zum Greifen nahe!

Ich gönnte mir noch ein Gipfelbier an der Sonne, bevor ich in die Bahn zurück nach Alpnachstad stieg. Die Zahnradbahn rühmt sich damit, die steilste der Welt zu sein und bei der Talfahrt, die 40 Minuten dauerte, hatte ich einen guten Blick auf den Wanderweg, den ich soeben hoch gestiegen war. Und ich konnte den Impuls nicht unterdrücken, aufmunternd den Wanderern zuzuwinken, die immer noch beim Aufstieg waren.



Wanderinfos:
  • Gewandert: Mittwoch, 11. Oktober 2017
  • Route: Alpnachstad - Ämsigen - Mattalp - Chilchsteine - Pilatus Kulm
  • Meine Wanderzeit: 3 h 20 min
  • Distanz: 9 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'640 m




Sonntag, 8. Oktober 2017

Wandern vor der Haustüre: Vom Zürichberg auf den Pfannenstiel

Nach einer erkältungsbedingten Zwangswanderpause hatte ich am Sonntag wieder Lust auf Bewegung und frische Luft, doch ich wollte mir im Zug nicht direkt die nächsten Bazillen holen. Also startete ich die Wanderung direkt vor der Haustüre: Von der Bergstation des Rigiblickbähnchens stieg ich kurz den Wald hoch, bevor ich in den Panoramaweg einbog, der dem Waldrand entlang führt und bei klarem Wetter einen tollen Blick vom Vrenelisgärtli über den Tödi bis zu den Berner Alpen bieten würde - heute hörte die Sicht direkt hinter dem Uetliberg auf.

Ich liess Zoo und FIFA-Hauptsitz links liegen und ignorierte den Wegweiser, der mich für den Pfannenstiel Richtung Forch lotsen wollte. Kurz nach dem Restaurant Degenried widerstand ich dem nächsten Wegweiser, der mich von meinem Weg abbringen wollte, und stieg stattdessen zum Stöckenbach - besser bekannt als Elefantenbach - hinunter und folgte dem Tobel aufwärts, ohne dass ich dieses Mal den Elefanten zu Gesicht bekommen hätte.

Küsnachter Dorfbach
Ich durchquerte Witikon und Zollikerberg und bekam dabei ein paar schöne Wohnlagen zu Gesicht. Bei Johannisburg erreichte ich das Küsnachter Tobel. Den unteren Teil kannte ich schon, doch ich war überrascht, wie schön auch der obere Teil war: Der schmale Waldweg führte dem Bach entlang, welcher in zahlreichen - zugegebenermassen künstlichen - Wasserfällen hinabfiel. Es war mit Abstand der schönste Abschnitt der Wanderung, die sonst keine besonderen Höhepunkte bot, und ich war erstaunt, wie ursprünglich und grün die Landschaft nur ein paar Schritte von den Villenquartieren der Zürcher Goldküste entfernt war.

Das letzte Stück der Wanderung führte durch ein offenes Waldstück und über breite Wege. Vom Pfannenstiel aus hatte man eine schöne Sicht auf den Greifensee und das Zürcher Oberland; den Aufstieg auf den Aussichtsturm bei der Hochwacht ersparte ich mir dann aber doch - angesichts des wolkenverhangenen Himmels schien mir diese Zusatzanstrengung zu wenig Zusatznutzen zu bringen. Via einen unnötigen Schlenker über den Vorderpfannenstiel erreichte ich schliesslich Egg, von wo die Forchbahn zurück in die Stadt fuhr.



Wanderinfos:

  • Gewandert: Sonntag, 8. Oktober 2017
  • Route: Zürich, Rigiblick - Susenberg - Degenried - Stöckentobel - Witikon - Trichtenhausen - Zollikerberg - Schüracher - Fallacher - Johannisburg - Mülitobel - Chüelenmorgen - Pfannenstiel - Hochwacht - Vorderpfannenstiel - Schaubigen - Egg
  • Meine Wanderzeit: 5 h
  • Distanz: 22 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 670 m


Sonntag, 1. Oktober 2017

Auf Saumpfaden durch die wilde Cardinelloschlucht

Erster Blick auf Cardinelloschlucht
Die ViaSpluga führt in vier Etappen von Thusis nach Chiavenna. Patrizia hatte die ganze Strecke vor zwei Jahren gemacht, musste damals aber die Etappe über den Splügenpass auslassen. Als sie beschloss, diese Teilstrecke nachzuholen, schlossen ich und ein paar weitere Mitwanderer uns ihr gerne an - insbesondere nachdem sich herausstellte, dass die Übernachtung bei einer Vinoteca geplant war.

In Splügen brauchten wir zwei Anläufe, um den richtigen Einstieg in die Route zu finden, doch schliesslich waren wir auf dem richtigen Weg, der uns zum Splügenpass hinaufführte. Als die Strecke zwischendurch etwas abflachte, frischte dafür der Wind auf und bliess uns heftig ins Gesicht. Der Splügenpass wurde bereits zur Römerzeit begangen und in der Schlusssteigung zur Passhöhe war der alte Saumweg aus dem Mittelalter noch gut erkennbar. Während wir es eher gemütlich nahmen, stellten wir uns vor, wie viel beschwerlicher der Unterhalt der Wegstrecke und die Überquerung des Passes früher gewesen sein mussten.

Monte Spluga
Auf der Passhöhe wehte der klägliche Rest einer italienischen Flagge und zeigte damit an, dass wir die Landesgrenze überquert hatten. Nach einem kurzen Abstieg kam schon bald das kleine Dörfchen Monte Spluga in Sicht, welches am gleichnamigen See liegt. Die Hauptstrasse besteht aus einer einzigen, bunten Häuserzeile. In der altehrwürdigen, mit sehr viel Charme eingerichteten Albergo della Posta bezogen wir unsere Zimmer. Danach blieb uns noch viel Zeit für einen ausgiebigen Apéro, bevor wir uns dann im vollbesetzten Restaurant die Bäuche mit Pasta und Braten vollschlugen.

Die Wetteraussichten für den Sonntag waren durchzogen und der Morgen brachte auch einen bedeckten Himmel, so dass das Grüppchen, welches sich nach dem Frühstück aufmachte, entlang des Lago di Monte Spluga weiterzuwandern, merklich geschrumpft war. Doch schon nach kurzer Zeit drangen die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolken. Der See wurde von einer Staumauer abgeschlossen und von ihr konnte man einen ersten Blick auf die Cardinelloschlucht werfen, aus welcher Nebelschwaden hochstiegen - ein Bild voller wilder Schönheit!

Cardinelloschlucht
Direkt nach der Staumauer begann der steile Abstieg in die Schlucht. Der schmale, ausgesetzte Weg schlängelte sich den schroffen Felswänden entlang und wir wunderten uns, wie es möglich gewesen war, dass selbst ganze Armeen die Schlucht durchquert hatten. Wenn wir zurück blickten, sahen wir hoch über uns die Staumauer des Lago di Monte Spluga. Die Cardinelloschlucht war zweifellos das schönste Stück der Wanderung. Immer wieder hielten wir an, um die Landschaft zu bestaunen und Fotos zu machen.

Als wir das steilste Stück der Schlucht hinter uns hatten, tauchten wir plötzlich in den Nebel ein, der sich von oben so atmosphärisch in Szene gesetzt hatte. Je tiefer wir kamen, desto dichter wurde er, und nur ab und zu schimmerten herbstlich leuchtende Bäume durch den grauen Schleier. Wir passierten menschenleere Weiler und mussten unsere Hoffnung, dass wir irgendwo einen Kaffee bekommen würden, schnell aufgeben.

Aus dem Nebel tauchten schliesslich die ersten Häuser von Isola auf, und Patrizia wusste, wo es hier nicht nur einen Kaffee, sondern auch einen Teller Pasta gab: In der Locanda Cardinello liessen wir uns vom Besitzer, einem freundlichen, alten Männchen, nicht nur gut bewirten, sondern er zeigte uns auch voller Stolz seine kürzlich renovierten Zimmer. Wir waren vom geschmackvollen Mix aus alt und modern restlos begeistert! Wir hätten hier gerne eine Nacht verbracht, doch leider mussten wir unseren Bus erwischen, der uns auf der kurvenreichen Strasse über den Splügenpass zurück nach Splügen brachte.



Wanderinfos:

  • Gewandert: Samstag/Sonntag, 30. September/1.Oktober 2017
  • Route: Splügen - Marmorbrücke - Bodmastafel - Splügenpass - Monte Spluga (Samstag); Monte Spluga - Cardinelloschlucht - Rasdeglia - Isola (Sonntag) (Etappe 3 der ViaSpluga/regionale Route Nr. 50)
  • Unsere Wanderzeit: 3 h (Samstag); 3 h (inkl. unzählige Fotostopps; Sonntag)
  • Distanz: 9,5 km (Samstag); 9 km (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 705 m (Samstag); 120 m (Sonntag)
  • Übernachten: Albergo della Posta, Monte Spluga