Sonntag, 30. September 2018

Panoramawanderung im Nebel

Rechtzeitig zum Herbstanfang suchte mich eine Erkältung heim, die mich gleich mehrere Tage erfolgreich ausser Gefecht setzte. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder einigermassen frei durch die Nase atmen konnte, hielt ich es für höchste Zeit, wieder in meine Wanderschuhe zu schlüpfen. Ich hatte mit dem Walenpfad oberhalb Engelberg eine Wanderung ausgesucht, die mir für meinen rekonvaleszenten Zustand angemessen schien, zumal man die ersten achthundert Höhenmeter bequem mit Gondel- und Sesselbahn zurücklegen konnte.

Der Walenpfad macht damit Werbung "einer der schönsten Höhenwanderwege der Schweiz" zu sein und eine "herrliche Aussicht" zu bieten. Ich hatte aufgrund der Wetterprognosen zwar nicht mit einem strahlend blauen Himmel gerechnet, doch der stockdicke Nebel, der mich bei der Brunnihütte auf fast 1'900 m Höhe erwartete, demoralisierte mich dann doch etwas. Bei geschätzten zehn Metern Sichtweite war ich froh, überhaupt den Weg vom Sessellift zur rund hundert Meter entfernten Hütte gefunden zu haben, ohne in den Härzlisee zu fallen (ob dieser tatsächlich herzförmig ist, blieb ebenfalls im Nebel verborgen).

Ich trank einen Kaffee und hoffte auf einen Wetterumschwung. Nach einer knappen Stunde war klar, dass sich diese Hoffnung nicht innert nützlicher Frist erfüllen würde. Nach einer kurzen Diskussion mit mir selber entschloss ich mich schliesslich, die Wanderung trotzdem zu machen. Der Weg war gut unterhalten und ausreichend signalisiert - mehr kann ich über den ersten Teil der Strecke nicht sagen, denn mehr sah ich nicht. 

Nach der Walenalp kam ein längerer Aufstieg und dann passierte, womit ich nicht mehr gerechnet hatte: Ich erreichte tatsächlich die Nebelgrenze. Und über den Wolken herrschte Sonnenschein! Über mir ragten die senkrechten Felswände der Walenstöcke in die Höhe. Endlich sah ich auch etwas vom viel gerühmten Panorama, soweit dieses ebenfalls über die dicke Nebelschicht herausragte. 

Bei der Walegg war der höchste Punkt der Wanderung erreicht, danach führte der schmale Weg ausgesetzt dem steilen Abhang entlang. Wie steil es tatsächlich hinunter ging, blieb aber im Nebel verborgen, ebenso wie der Bannalpsee, den ich an diesem Tag nicht ein Mal zu Gesicht bekam. 

Bei der Alphütte Oberfeld tauchte ich wieder in die Wolken ein und die Wanderung endete wie sie begonnen hatte: Im Nebel. Der Nebel war aber auch ein guter Entschuldigungsgrund, bei der Kreuzhütte in die Seilbahn zu steigen und mir den Abstieg zu ersparen. Um das gesamte Panorama zu geniessen, komme ich ein anderes Mal zurück.




Wanderinfos:
  • Gewandert: Samstag, 29. September 2018
  • Route: Brunnihütte SAC - Sädelegg - Walenalp - Walegg - Oberfeld - Urnerstafel - Kreuzhütte (Walenpfad/lokale Route Nr. 573)
  • Meine Wanderzeit: 3 h
  • Distanz: 10,4 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 520 m



Sonntag, 16. September 2018

Sefinafurgge - Gamchigletscher - Hohtürli - Blüemlisalphütte - Oeschinensee: Berner Höhepunkte am Laufmeter (12. + 13. Etappe Via Alpina)

Blüemlisalpgletscher
Manchmal hat man mehr (Wetter-)Glück als Verstand: Als wir im Januar die Daten für die diesjährigen Via Alpina-Etappen festlegten und beschlossen, aus der 12. und 13. Etappe eine Dreitagestour zu machen, konnten wir nicht einmal hoffen, dass wir mit der eher zufälligen Terminwahl wettermässig voll ins Schwarze resp. ins Blaue treffen würden: Die Königsetappe brachte Kaiserwetter!

Das Bähnchen von Interlaken nach Lauterbrunnen war mehr als nur überfüllt und als ich mich bei der Sitznachbarin nach dem Grund für den Andrang erkundigte, outete ich mich als völliger Banause: Es war natürlich Jungfrau-Marathon! Vom Bähnchen aus hatten wir einen Logenplatz auf die beiden führenden Läufer, die wir zweimal einholten. In Lauterbrunnen reihten sich die Zuschauer am Strassenrand, doch wir liessen den Marathonrummel schnell hinter uns. Die Wanderung begann mit einem Aufstieg durch den Wald und wir überquerten zahlreiche Bäche, die weiter unten über die senkrechten Felswände stürzen und die Wasserfälle bilden, für welche Lauterbrunnen berühmt ist.

Sefibach
In Mürren machten wir - passend zur Strecke - auf der Terrasse des Hotel Alpina eine Rast, bevor es kurz nach Spilboden ganz unterwartet eine ziemlich heftige Steilstufe zu überwinden galt. Danach ging es fast flach immer weiter hinein ins Sefinental bis zur Rotstockhütte, wo wir die Nacht verbrachten.

Am nächsten Tag stand die anstrengendste Etappe der bisherigen Via Alpina-Strecke an. Entsprechend begann er mit einem Aufstieg: Zuerst eher sanft, dann immer steiler wurde der Weg zur Sefinafurgge hinauf. Unterwegs konnten wir ein paar Murmeltiere beobachten, die sich von uns nicht im geringsten gestört fühlten. Im abschüssigen, mit Seilen gesicherten letzten Stück kurz vor der Passhöhe behauptete Reto, dass wir damit die steilste Stelle des Tages hinter uns hätten - Fake News, wie wir schon da ahnten.

Gamchigletscher
Auf der Sefinafurgge (2'611 m) konnte man einerseits einen letzten Blick zurück auf Eiger, Mönch und Jungfrau werfen, andererseits sah man - fast auf Augenhöhe - bereits das Tagesziel: Die Blüemlisalphütte zeichnete sich deutlich gegen den blauen Himmel ab. Leider lag zwischen uns und der Hütte ein tiefer Taleinschnitt. Wir verliessen die Via Alpina, die einen Schlenker über die Griesalp macht; einen Umweg, den wir uns ersparen wollten. Stattdessen steuerten wir scheinbar direkt auf die Blüemlisalphütte zu und vernichteten beim Abstieg all die Höhenmeter, die wir soeben mühsam gewonnen hatten.

Der Weg führte quer durch schottrige Abhänge, doch jemand hatte sich sehr viel Mühe gemacht, einen sicheren Pfad durch das lose Gestein zu legen. Eine kurze Leiter, um einen Absatz zu überwinden, gab es auch noch. Nach einer scharfen Linkskurve hatten wir dann plötzlich freie Sicht auf den (sehr kläglichen) Rest des Gamchigletschers an der gegenüberliegenden Bergflanke. Über uns auf einem Felsvorsprung thronte die Gspaltenhornhütte. Wir verzichteten aber auf einen Abstecher - selbst die Aussicht auf Kaffee und Kuchen war uns die zusätzlichen Höhenmeter nicht wert. Stattdessen stiegen wir weiter zum Talgrund ab und kamen dem Gletscherabbruch immer näher.

Blüemlisalphütte im Morgenlicht
Der Wanderweg, welcher das Gletscherbett überquert, ist sorgfältig mit unzähligen Pfosten und Stangen markiert. Ob es irgendwo unter dem Schutt noch Eis hat - wie die Landkarte suggeriert -, bezweifelte ich aber. Die Klimaerwärmung war wohl schneller als Swisstopo. Das Schmelzwasser hat sich tief in den Fels gefressen und enge Schluchten hinterlassen, über welche schmale Brücken führen. Die Überquerung des "Gletschers" in dieser hochalpin anmutenden Umgebung aus Fels und Eis war eindeutig ein Höhepunkt der bisherigen Via Alpina.

Als wir auf der anderen Talseite ankamen, war vor allem eines klar - ab jetzt würde es nur noch aufwärts gehen. Richtig steil wurde es aber erst, als wir am Hohtürlihang wieder in die offizielle Via Alpina-Route einbogen. Mehrere Wegspuren führten in Schlangenlinien die abschüssige Matte hoch und zusammen mit zahlreichen anderen Wanderern quälte ich mich Meter um Meter hoch - ich hatte schon lange nicht mehr so gelitten bei einem Aufstieg!

Oeschinensee
Nachdem der Grashang endlich bewältigt war, kamen dann zum Abschluss die unzähligen Holztreppen, die der Felswand entlang führen. Unterschiedliche Stufenhöhen verstärkten die Qual. Doch dann war es geschafft und das Hohtürli (2'778 m), der höchste Passübergang der Via Alpina, erklommen! Von da waren es nur noch ein paar Minuten bis zur Blüemlisalphütte (2'840 m). Und auf der sonnenbeschienen Terrasse der Hütte, den Blüemlisalpgletscher in Griffnähe und mit Sicht bis auf den Thunersee, war die Anstrengung wie weggeblasen.

Am nächsten Tag stand nur noch der Abstieg nach Kandersteg an und wir hätten eigentlich zur Abwechslung spät starten können - doch in einer fast vollbesetzten SAC-Hütte mit einer Frühstückszeit, die um 8 Uhr endet, ist an Ausschlafen nicht zu denken. Also waren wir wieder beizeiten unterwegs. Schnell verloren wir an Höhe und die Aussicht wechselte vom weissen Abbruch des Blüemlisalpgletschers zum türkisfarbenen Oeschinensee. An dessen Ufer machten wir eine letzte Pause, bevor es über einen breiten Wanderweg hinunter nach Kandersteg ging.

Noch zwei weitere Etappen sind dieses Jahr auf der Via Alpina geplant, bevor wir dann in der Lenk "überwintern".



Wanderinfos:
  • Gewandert: Samstag/Sonntag/Montag, 8./9./10. September 2018
  • Route: Lauterbrunnen - Mürren - Spilboden - Rotstockhütte (Samstag): Rotstockhütte - Sefinafurgge - Gamchigletscher - Oberloch - Hohtürli - Blüemlisalphütte (Sonntag); Blüemlisalphütte - Oberbärgli - Oeschinensee - Kandersteg (Montag) (12. und 13. Etappe der Via Alpina/nationale Route Nr. 1, mit Abweichung über den Gamchigletscher)
  • Unsere Wanderzeit: 3 h 50 min (Samstag); 5 h 45 min (Sonntag); 2 h 45 min (Montag)
  • Distanz: 12,3 km (Samstag); 13,5 km (Sonntag); 12,5 km (Montag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'460 m (Samstag); 1'700 m (Sonntag); 40 m (Montag)
  • Übernachten: Rotstockhütte (Samstag); Blüemlisalphütte SAC (Sonntag)
  • Weitere Etappen der Via Alpina gibt es hier


Sonntag, 2. September 2018

Wildstrubel-Überschreitung: Eindrückliches Schlechtwetterprogramm

Plaine Morte mit Wildstrubel (rechts)
Der Wildstrubel und das Wetter - das scheint sich zu einer Fortsetzungsgeschichte zu entwickeln: Im letzten Winter war das Wetter zu schlecht gewesen, um ihn mit den Schneeschuhen zu besteigen, dieses Mal war er das "Schlechtwetterprogramm", weil die Hoffnung bestand, dass die angesagte Wetterbesserung den Wildstrubel vor dem ursprünglich anvisierten Vrenelisgärtli erreichen würde.

Von der Wetterbesserung war aber zunächst nichts zu sehen: Die Wolken hingen tief in den senkrechten Felswänden, als wir nach einer kurvenreichen Fahrt auf dem schmalen Strässchen auf der Iffigenalp aus dem voll besetzten Bus stiegen. Der Aufstieg zur Wildstrubelhütte führte über eben diese Felswände, doch der teilweise in den Fels gehauene Weg war problemlos zu begehen. Dafür setzte bald der Regen ein und für eine einigermassen trockene Pause mussten wir in der Blattihütte, einem leeren Schafstall, Zuflucht suchen. Kurz danach hatten wir die gleiche Höhe wie die Wolken erreicht. Damit hörte zwar der Regen auf, dafür reduzierte sich die Sicht auf ein paar wenige Meter. Der Weg wurde immer steiler und die Landschaft - soweit sichtbar - immer steiniger bis wir unvermittelt direkt vor der Hütte standen.

Wildstrubelhütte am Morgen
In der äusserst gemütlichen Wildstrubelhütte wurden wir freundlich empfangen und als wir aufgewärmt und getrocknet beim Apéro sassen, setzte draussen der Schneefall ein. Dieser hielt die ganze Nacht an, so dass am nächsten Morgen gute zehn Zentimeter Neuschnee auf der Hüttenterrasse lagen und der Hüttenwart nach der Schneeschaufel greifen musste. 

Die Stimmung beim Abmarsch war fast so bedeckt wie der Himmel. Doch dann kam die Überraschung: Nach nur ein paar Meter Aufstieg erreichten wir die Wisshorelücke und auf einmal waren die Wolken wie verschwunden. Im Süden herrschte schönstes Wetter mit blauem Himmel soweit wir sehen konnten! 

Unter uns lag die weisse Fläche der Plaine Morte, die wir kurze Zeit später erreichten. Wir seilten uns an, die Steigeisen liessen wir hingegen im Rucksack; dank dem Schneefall war der Gletscher auch ohne problemlos begehbar. Die Überquerung der Eisfläche war ein reiner Genuss. Der anstrengende Teil der Tour kam dann, als wir am Fuss des Wildstrubels den Gletscher verliessen: Fünfhundert steile Höhenmeter lagen vor uns.

Der Wildstrubel ist wohl ein ziemlicher Schotterhaufen, doch überpudert mit dem Neuschnee erinnerte er mich an eine riesige gezuckerte Praline. Leider war beim Aufstieg nur die Aussicht auf die umliegenden Berge süss, der Rest war ziemlich anstrengend und zweimal dachte ich, kurz vor dem Ziel zu stehen, nur um festzustellen, dass hinter der Kuppe nochmals eine Kuppe lag, bevor dann tatsächlich das Gipfelkreuz in Sicht kam.
Plaine Morte
Auf dem ausgedehnten Gipfel des Wildstrubels (3'244 m) machten wir eine ebenso ausgedehnte (Foto-)Pause. Die Rundumsicht und insbesondere der Blick hinunter zur Gemmi waren überwältigend. Dieser zeigte aber auch, dass wir noch einen langen und vor allem steilen Abstieg vor uns hatten. Diesmal schnallten wir für den Gletscher unsere Steigeisen an. Der Wildstrubelgletscher ist nicht nur einiges abschüssiger als die Plaine Morte, sondern auch spaltenreicher. Doch Markus, unser Bergführer, führte uns sicher um alle Spalten herum.
Wildstrubel

Über den Moränenschutt, welcher der schmelzende Gletscher zurückgelassen hatte, und entlang von zahlreichen Bächen erreichten wir schliesslich die Lämmerenhütte, wo wir uns eine Stärkung genehmigten, bevor wir auf dem Wanderweg das letzte kurze Stück zum Gemmipass wanderten. 

Obwohl eigentlich nicht so geplant, war diese Wildstrubel-Überschreitung ein Höhepunkt der diesjährigen Hochtourensaison gewesen und ein eindrückliches Erlebnis, das ich nicht so schnell vergessen werde. Und das Vreneli besuche ich im nächsten Jahr.




Wanderinfos:
  • Gewandert: Samstag/Sonntag, 25./26. August 2018
  • Route: Iffigenalp - Blattihütte - Stiereläger - Rawilseeleni - Wildstrubelhütte (Samstag); Wildstrubelhütte - Wisshorelücke - Glacier de la Plaine Morte - Wildstrubel - Wildstrubelgletscher - Lämmerenhütte - Lämmerenboden - Gemmipass (Sonntag)
  • Unsere Wanderzeit: 3 h 15 min (Samstag); 7 h (Sonntag)
  • Distanz: 6 km (Samstag); 16,8 km (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'240 m (Samstag); 850 m (Sonntag)
  • Übernachten: Wildstrubelhütte SAC