Sonntag, 30. August 2020

Südlicher Abstecher mit kulinarischen Genüssen und einem verlorenen Hut

@wandernohneende
Die von Reto [recte: Nicole] organisierte Etappe unseres Projekts "See" brachte uns nach Chiasso ins südliche Ende der Schweiz. Der erste Teil der Strecke führte durch den Grenzort und zu sagen, dass Chiasso jeglicher Tessiner Charme abgeht, wäre immer noch eine Beschönigung. Es dauerte eine Weile, bis wir die grauen Strassen hinter uns gelassen hatten und der Wanderweg endlich in den Wald einbog. Das kleine Örtchen Sagno, das wir später durchquerten, war dann schon einiges hübscher als Chiasso und kurze Zeit danach hatten wir mit San Martino (740 m) bereits den höchsten Punkt des Tages erreicht. 

Der Abstieg brachte uns schnell wieder in die Agglomeration von Chiasso. Bis zu diesem Punkt zeichnete sich die Wanderung nicht gerade durch besondere Schönheit aus. Doch das änderte sich, als wir in die Breggia-Schlucht hinabstiegen. Die Breggia hat sich hier tief in den Fels gefressen und in den zahlreichen natürlichen Wasserbecken tummelten sich an diesem heissen Sommertag die Ausflügler, die auf der Suche nach einer Abkühlung waren. Bei den Einheimischen ist die Breggia-Schlucht wohl alles andere als ein Geheimtipp.

@wandernohneende
Wir folgten der Breggia, die stromabwärts allmählich ihre Wildheit verlor. Die riesige Ruine einer ehemaligen Zementfabrik markierte schliesslich das Ende der Schlucht. In Balerna stiegen wir in den Bus zu unserer Unterkunft in Novazzano. Wir richteten es uns in der geräumigen Ferienwohnung gemütlich ein, bevor wir uns im dazugehörigen Restaurant die Bäuche mit leckerer Pizza vollschlugen.

Am nächsten Tag nahmen wir den Bus nach Mendrisio und dort begann die Wanderung wie am Vortag eher unattraktiv mit der Durchquerung des Industriequartiers und der Überquerung der Autobahn. Doch danach gelangten wir ins Grüne und gleichzeitig begann auch der Aufstieg.

Pünktlich zur Mittagszeit erreichten wir Meride, wo Nicole für uns im urigen Grotto Fossati einen Tisch reserviert hatte. Die Reservation war auch nötig gewesen, denn die schattige Terrasse des Restaurants war bis zum letzten Platz besetzt. Es gab Polenta, die traditionell in einem grossen Kessel über dem Feuer gekocht wurde.

Nach dem Mittagessen teilte sich unsere Gruppe: Ein Teil machte sich direkt an den Abstieg, während der andere der Meinung war, dass man doch noch einen Gipfel machen sollte, um wenigsten ein paar der Kalorien, die wir an diesem Wochenende zu uns genommen hatten, wieder zu verbrennen.

@wandernohneende
Blick vom San Giorgio Richtung Morcote

Beim Aufstieg zum Monte San Giorgio brannte dann vor allem die Sonne und ich war froh um den Schatten spendenden Wald. Ich war bereits ein paar Monate zuvor auf dem Monte San Giorgio (1'096 m) gewesen, doch die spektakuläre Aussicht über den Lago di Lugano kann man problemlos mehrmals geniessen. Mit dem Blick auf den Lago di Lugano war auch unser Projekt-Motto erfüllt.

@wandernohneende
Für den Weg zurück wählten wir die steilste Variante durch den von einem düsteren Wald bedeckten Osthang. Obwohl der Untergrund völlig trocken war, entpuppte sich der Abstieg als Rutschpartie und ich schaffte es, dreimal (!) auf meinem Hintern zu landen. Mein Sonnenhut hatte bereits beim zweiten Mal genug und machte einen Abflug den Graben hinunter. Eine Bergung wurde als zu gefährlich eingestuft, so dass ich ihn wohl oder übel zurücklassen musste (Vermisst am Monte San Giorgio: Strohhut mit blauem Band).

Da unsere Vorhut bereits rekognosziert hatte, wo es in Capolago die besten Glacé gab, konnten wir beim Bahnhof zielgenau den entsprechenden Glacé-Stand anpeilen; eine Abkühlung, die wir uns redlich verdient hatten.



Wanderinfos:

  • Gewandert: Samstag/Sonntag, 18./19. Juli 2020
  • Route: Chiasso - Vacallo - Sagno - Morbio Superiore - Breggia-Schlucht - Balerna (Samstag); Mendrisio - Meride - Monte San Giorgio - Pozzo - Riva San Vitale - Capolago (Sonntag)
  • Unsere Wanderzeit: 3 h 30 min (Samstag); 4 h 30 min (Sonntag)
  • Distanz: 11,3 km (Samstag); 12,5 km (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 600 m (Samstag); 860 m (Sonntag)
  • Übernachten: gioiAcasa, Novazzano


Sonntag, 23. August 2020

Bordierhütte: Gletscherüberquerung und besoffene Bettgenossen

@wandernohneende
Wanderungen von Ivan zeichnen sich gemeinhin durch drei Eigenschaften aus: Sie führen durch spektakuläre Landschaften, haben (zu) viele Höhenmeter und starten grundsätzlich verspätet. Diesmal gingen wir mit rund einer Stunde Verspätung in Grächen los und während des ersten, noch flachen Teilstücks hatte ich genügend Zeit, meiner unnötig verlorenen Stunde Schlaf nachzutrauern.

Spätestens bei Gasenried war dann jegliches Bedauern vergessen. Einerseits begann der Weg anzusteigen, andererseits konnte man einen ersten Blick auf den Riedgletscher werfen, dessen zerklüftete Eismassen sich gegen den blauen Himmel abhoben. Wir durchquerten einen lichten Lärchenwald und wurden dabei begleitet vom Rauschen des Riedbachs. Als wir den Wildbach schliesslich überquerten, lag das ganze Tal vor uns und man konnte die ganze Strecke (und die Höhenmeter), die noch vor uns lag, überblicken.

@wandernohneende
Bei Alpja hatten wir die Baumgrenze und den letzten flachen Abschnitt erreicht. Vor einer kleinen Alphütte machten wir eine letzte Rast, bevor wir den weiteren Aufstieg in Angriff nahmen. Über die steinige Seitenmoräne, die der Gletscher zurück gelassen hatte, führte der Pfad im Zickzack immer höher. Ein Murmeltier sah uns misstrauisch aus sicherer Distanz beim Schwitzen zu. 

Als wir die Höhe des Gletschers erreicht hatten, wechselte die Wegkennzeichnung von weiss/rot auf weiss/blau. Über ein ausgedehntes Geröllfeld balancierten wir zum Eisrand, wo wir unsere Steigeisen montierten. 

Ich empfinde es immer wieder als äussert eindrücklich, mich auf einem Gletscher zu bewegen. Die Querung über das flache und praktisch spaltenfreie Eis war mit Stangen gekennzeichnet und in der Mitte der Eismasse mussten wir über die Mittelmoräne klettern. Viel zu schnell für meinen Geschmack hatten wir das andere "Ufer" des Gletschers erreicht und verstauten die Steigeisen wieder im Rucksack.

@wandernohneende
Das restliche Stück zur Hütte war dann wieder steil und führte teilweise über den blanken Fels, doch der Weg war ausnehmend gut gesichert mit Tritten, Seilen und Treppen, so dass dem Belohnungsbier auf der Aussichtsterrasse der Bordierhütte  (2'886 m) nichts entgegenstand. Nach dem Abendessen gesellten sich noch ein paar junge Steinböcke zu uns, die sich Rangkämpfe lieferten und sich fotogen zwischen Sonnenuntergang und Schweizerfahne positionierten.

Wir teilten uns den Schlafraum mit vier jungen Einheimischen, die den Nachmittag damit verbracht hatten, sich durch die Alkoholvorräte der Hütte zu trinken. Doch offenbar sind die Walliser nicht so trinkfest wie ihr Ruf, auf jeden Fall musste sich einer der Jungs in der Nacht wiederholt übergeben - davon zeugten wenigstens am nächsten Morgen die Spuren und Erzählungen meiner Kollegen; ich selber hatte dank Ohrstöpsel praktisch unbehelligt geschlafen und vom unappetitlichen Desaster kaum etwas mitbekommen.

@wandernohneende
Die Stimmung am nächsten Morgen war aufgrund der kurzen Nacht eher gedrückt und zudem hatte es auch noch angefangen zu regnen. Doch sowohl das Wetter wie auch unsere Gemütslage hellten sich spätestens nach der neuerlichen Gletscherüberquerung merklich auf. Wir wählten die gleiche Route wie am Vortag, wobei der Abstieg eindeutig weniger schweisstreibend war. Angetrieben wurden wir zudem von der Aussicht auf Kuchen auf der hübschen Terrasse des Restaurants Riederstübli, das wir einen Tag zuvor passiert hatten. Bei einigen Mitwanderern war das Verlangen nach Kuchen so gross, dass jede Diskussion über Routenvariationen von vornherein aussichtslos war. 

Bereits vor dem Mittag erreichten wir schliesslich das Riederstübli, wo der Kuchen mit Himbeeren aus dem eigenen Garten die Erwartungen in keiner Weise enttäuschte. Es war der perfekte Abschluss für die wunderschöne Tour.




Wanderinfos:
  • Gewandert: Samstag/Sonntag, 25./26. Juli 2020
  • Route: Grächen - Gasenried - Alpja - Pkt. 2706 - Riedgletscher - Bordierhütte (Samstag; Sonntag die gleiche Strecke umgekehrt)
  • Distanz: 11 km (Samstag/Sonntag)
  • Unsere Wanderzeit: 4 h 30 (Samstag); 3 h 30 (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'430 m (Samstag); 150 m (Sonntag)
  • Übernachten: Bordierhütte SAC