Dienstag, 9. September 2025

Sonnenaufgang auf dem Oberaarjoch (Gletschertrekking von der Jungfrau zur Grimsel 2/2)

Der Wecker riss mich auch am dritten Tag unserer viertägigen Gletschertour kurz vor fünf Uhr aus dem Schlaf. Auch wenn dieser Schlaf zugegebenermassen nicht besonders tief gewesen war - ich schlafe in SAC-Hütten nie besonders gut, selbst wenn das Bett so bequem und so breit ist wie in der Finsteraarhornhütte.

Im ersten Tageslicht brachen wir von der Hütte auf und begannen den Abstieg entlang der gerölligen Seitenmoräne, Schritt für Schritt dem Fieschergletscher entgegen. 

Als wir ihn erreichten, hiess es wieder in die Steigeisen steigen. Auf dem blanken Eis ging es anfangs nur abwärts und ich genoss jeden Schritt durch diese einsame Gletscherwelt. Eindrücklich waren die tiefen Spalten und Löcher, durch welche ganze Bäche in den Untergrund hinein verschwanden.

Im unteren Teil, kurz bevor Galmi- und Fieschergletscher zusammen kommen, nahm die Spaltendichte markant zu und Tobi, unser Bergführer, musste uns in grossen Kurven und Umwegen durch das Spaltenlabyrinth hindurchführen.

Schliesslich wechselten wir auf den Galmigletscher und es folgte ein kurzer, aber knackiger Aufstieg. Ein grosser Felsen teilt den Fuss des Gletschers in zwei Teile und wir stiegen auf der weniger zerklüfteten Seite hoch. Oben erreichten wir mit dem Studergletscher, welcher ein ausgedehntes Hochplateau bildet, bereits den dritten Gletscher des Tages. 

Die Sonne stand unterdessen hoch am Himmel und brachte nicht nur uns ins Schwitzen, sondern auch den Schnee zum Schmelzen, so dass sich heimtückische Pfützen bildeten und man aufpassen musste, nicht einen Schuh voll Wasser herauszuziehen.

Der letzte Aufstieg des Tages zum Oberaarjoch durch diesen nassen Schnee bei brütender Hitze zerrte an meinen Kräften. Ich war froh, als endlich die Oberaarjochhütte in Sicht kam, die wie ein Adlerhorst an der senkrechten Felswand klebt. Vom Oberaarjoch (3'205 m) führt der Aufstieg zu ihr ein paar Kraxelstellen und schliesslich zum Abschluss eine senkrechte Leiter hinauf. 

Im Gegensatz zur modernen und grosszügigen Finsteraarhornhütte ist die Oberaarjochhütte älter und enger, doch sie machte diese Nachteile mit der Gastfreundschaft des Hüttenwartpaares und ihrer einmaligen, exponierten Lage wett. 

Am Nachmittag bestiegen ein paar von unserer Seilschaft noch das Oberaarhorn, doch ich verzichtete darauf, um meine (schwindenden) Kräfte zu schonen und gönnte mir stattdessen ein Nachmittagsschläfchen.

Viel zu schnell brach schliesslich bereits der letzte Tag unserer Tour an. Als wir uns auf der zugigen Terrasse der Hütte bereit machten, leuchtete der Vollmond noch über den Bergen, während die hinter dem Horizont verborgene Sonne die ersten Gipfel um uns herum rosa färbte. Damit wir auch richtig wach wurden, hatte sich unser Bergführer zum Abschluss etwas besonderes einfallen lassen: Er seilte uns ein kurzes Stück über die senkrechte Felswand unterhalb der Hütte ab. 

Wir hatten gerade das Joch erreicht und zogen die Steigeisen an, da ging die Sonne richtig auf und bescherte uns den schönsten Sonnenaufgang der Tour. Wir wanderten ihr auf dem Oberaargletscher direkt entgegen, während sie das Eis und den See unter uns zum Glänzen brachte. Einmalig schön!

Viel zu schnell war der Gletscher zu Ende und wir verstauten die Steigeisen definitiv im Rucksack. Auf einem bequemen Wanderweg ging es der ganzen Länge des Oberaarsees entlang. 

Am Ende des Sees, welcher durch eine Staumauer abgeschlossen wird, gibt es eine Seilbahn, die in zwei Etappen bis zum Grimselhospitz fährt, und uns damit das letzte Wanderstück bis zum Grimselpass ersparte. Nach den vier Tagen war dies eine willkommene Abkürzung. Gemütlich schwebten wir durch die Lüfte und konnten uns Oberaar- und Grimselsee von oben ansehen. 

Die Seilbahn wie auch die beiden Stauseen sind Teil des Grimselkraftwerks und werden von den Kraftwerken Oberhasli betrieben. Als Jurist denkt man dabei vor allen an die unzähligen Gerichtsverfahren, welche der beabsichtigte Ausbau und Erhöhung der Grimselstaumauer ausgelöst hat. Ich kenne den genauen Stand der Verfahren nicht, während dem Überflug mit der Gondel sah man aber rege Bautätigkeit rund um die Staumauern.

Wir beendeten unsere viertägige Tour auf der Terrasse des historischen Restaurants Grimselhospiz und beglückwünschten uns zu unserer Leistung der letzten vier Tage. Es hatte sich auf jeden Fall gelohnt, nach dem Abbruch vor zwei Jahren einen neuen Anlauf zu starten!

 

Der erste Teil des Trekkings vom Jungfrauhoch über die Grünhornlücke gibt es hier nachzulesen.

 

Wanderinfos:

  • Gewandert: Samstag/Sonntag, 9./10. August 2025
  • Route: Finsteraarhornhütte - Fieschergletscher - Galmigletscher - Studergletscher - Oberaarjoch - Oberaarjochhütte (Samstag); Oberaarjochhütte - Oberaarjoch - Oberaargletscher - Oberaarsee - Oberaar (- Grimsel Hospitz) (Sonntag)
  • Unsere Wanderzeit: 4 h 30 min (Samstag); 3 h (Sonntag)
  • Distanz: 7,8 km (Samstag); 9,5 km (Sonntag)
  • Höhenmeter615 m; 380 m (Samstag); ↑80 m; 990 m (Sonntag)
  • Übernachten: Oberaarjochhütte SAC

 


 

Montag, 1. September 2025

Über die Grünhornlücke zum höchsten Berner (Gletschertrekking von der Jungfrau zur Grimsel 1/2)

@wandernohneende
Vor zwei Jahren hatte ich ein Gletschertrekking vom Jungfrauhoch zum Grimselpass gebucht. Leider musste damals die Tour nach zwei Tagen wegen eines Unwetters abgebrochen werden. Dieses Jahr versuchte ich mein Glück mit der gleichen Route nochmals und dieses Mal versprachen die Wetterprognosen vier Tage lang nichts als eitler Sonnenschein.

Die Strecke vom Jungfraujoch über den Jungfraufirn hinab zum ausgedehnten Konkordiaplatz, entlang von steilen Felswänden und Gletscherabbrüchen, war so eindrücklich wie ich sie in Erinnerung hatte und wurde auch bei Wiederholung nicht langweilig. Ebenfalls alles andere als langweilig war der Aufstieg über die 526 luftigen Treppenstufen hinauf zur Konkordiahütte - ich fand, dass ich sie besser meisterte als vor zwei Jahren. Das Bier auf der Terrasse der Hütte mit freiem Blick über den Aletschgletscher hatte ich mir auf jeden Fall verdient.


Der nächste Morgen begann mit dem Abstieg über dieselben 526 Treppenstufen. Und dann betrat ich Neuland: Zunächst auf dem Geröllfeld neben, dann auf dem Grüneggfirn selber, stiegen wir Schritt für Schritt in Richtung Grünhornlücke hinauf. Hinter uns strahlte das Eis des Konkordiaplatzes in der Sonne, während wir noch lange im Schatten blieben.

@wandernohneende

Die Sonne erreichte uns schliesslich gleichzeitig wie wir die Grünhornlücke (3'266 m) erreichten. Direkt vor uns ragte das imposante Finsteraarhorn in den Himmel, seines Zeichens der höchste Berg des Kantons Bern. Tief unten an seiner Felswand konnten wir bereits die nach ihm benannte Hütte, unser heutiges Tagesziel, erkennen.

@wandernohneende
Luftlinie schien es bis dorthin auch gar nicht mehr so weit zu sein, doch es kostete schliesslich ziemlich Zeit, die zahlreichen Gletscherspalten zu umgehen, die von weichem Schnee bedeckt waren. Schneller vorwärts kamen wir dann auf dem aperen Fiescherfirn. Wir wanderten quer über ihn und auf der anderen Seite angekommen, zogen wir die Steigeisen aus und kraxelten über einen steilen Weg hoch zur Hütte.

Die Finsteraarhornhütte (3'047 m) ist gross, modern, hat eine schöne Sonnenterrasse und kann mit den breitesten Betten aller bisher von mir besuchten SAC-Hütten aufwarten. 

Wir verbrachten einen gemütlichen Nachmittag auf der Terrasse unter den schattenspendenden Sonnenschirmen und genossen einfach die Welt um uns herum, die aus nichts ausser Bergen, Gletschern und blauem Himmel zu bestehen schien.


Die Fortsetzung zur Oberaarjochhütte und Grimsel findet sich hier.


Wanderinfos:

  • Gewandert: Donnerstag/Freitag, 7./8. August 2025
  • Route: Jungfraujoch - Jungfraufirn - Konkordiaplatz - Konkordiahütte (Donnerstag); Konkordiahütte - Grüneggfirn - Grünhornlücke - Fiescherfirn - Finsteraarhornhütte (Freitag)
  • Unsere Wanderzeit: 3 h 30 min (Donnerstag); 4 h 45 min (Freitag)
  • Distanz: 8,5 km (Donnerstag); 6,5 km (Freitag
  • Höhenmeter210 m; 850 m (Donnerstag); ↑740 m; 520 m (Freitag)
  • Übernachten: Konkordiahütte SAC (Donnerstag); Finsteraarhornhütte SAC (Freitag)

 

@wandernohneende
Route Donnerstag & Freitag