Von Schnee war auf dem Pragel zunächst nichts zu sehen, als uns das Alpentaxi absetzte. Wir wanderten dem Fuss der Silberen entlang durch eine eindrückliche Karstlandschaft, aber man durfte sich von der Aussicht und den endlosen Blumenwiesen nicht zu sehr ablenken lassen, wollte man nicht einen Fehltritt in eines der zahlreichen Löcher oder Spalten riskieren. Die zerklüfteten Felsformationen waren schön anzusehen, boten aber wandertechnisch die eine oder andere Herausforderung. Ich hatte die Gegend vorher überhaupt nicht gekannt und ich war begeistert von der ursprünglichen und unberührten Landschaft. Mit den hellen Kalkfelsen, den grünen Wiesen und den frisch eingeschneiten Bergen im Hintergrund wähnte ich mich mehr als einmal in Mittelerde. Die Etappe stellte sich als eine der schönsten Wanderungen heraus, die ich je gemacht habe.
Wir folgten der Wegspur, die man dank zahlreichen Markierungen (fast) nicht verlieren konnte. In all der Idylle und Ruhe suchen wir uns dann wohl den lärmigsten Platz für eine Mittagspause aus - mitten in einer laut bimmelnden Herde von zudringlichen Kühen. Nach diesem ohrenbetäubenden Erlebnis kann ich die Studie, dass Kühe unter ihren Glocken leiden, nachvollziehen.
Kurz nach der Mittagspause stiessen wir dann auf die erwarteten Neuschneereste, welche sich kaum von den weissen Kalkfelsen, die aus dem Gras hervorschauten, abhoben. Am Fortkommen hinderte uns der Schnee nicht - bis zum letzten Abstieg vom Pfaff zur Glattalphütte: Dort hatte sich der Schnee in Matsch verwandelt und wir rutschten mehr oder weniger sicher den Abhang hinunter, mit dem Resultat, dass wir - einmal mehr - mit dreckigen Schuhen und bis zu den Knien schmutzigen Hosen in der SAC Hütte Glattalp ankamen, wo wir die Nacht verbrachten.
Frisch ausgeruht und gestärkt nahmen wir am nächsten Morgen - so pünktlich wie noch nie - die nächste Etappe unter die Füsse. Dies bedeutete zunächst ein ziemlich heftiger Abstieg: Heftig nicht nur, weil wir gut fünfhundert Höhenmeter verloren, die wir später alle wieder hoch mussten - sondern auch weil der Weg von losem Schotter bedeckt war, der wenig Halt bot. Zu Beginn war es daher fast eine Erleichterung, als wir die Karstlandschaft endgültig hinter uns liessen und es wieder aufwärts ging. Doch spätestens als wir bei Ober Stafel eine Pause einlegten und zu den senkrechten, schneebedeckten Felswänden hoch sahen, fragen wir uns schon, auf was wir uns da eingelassen hatten. Ein Wanderer, der uns entgegen kam, bestätigte uns aber, dass der Übergang passierbar war. Fast tausend Höhenmeter - die letzten im Neuschnee - ging es zum Balmer Grätli hoch. Belohnt wurden wir mit einem Ausblick ins Schächental und die dahinter liegende Bergkette.
Da wir - unüblich - pünktlich gestartet und - üblich - zügig unterwegs waren, erreichten wir das Hotel Klausenpass bereits kurz nach zwei Uhr, gerade rechtzeitig um das Postauto nach Flüelen zu erwischen. Der Chauffeur schaffte es nicht nur problemlos den grossen Bus durch die engen Kurven der Klausenpassstrasse zu lenken, sondern er erzählte dabei noch Wissenswertes über die Region. Davon werden wir auf der nächsten Etappe noch das eine oder andere selber sehen.
Wanderinfos:
- Gewandert: Samstag/Sonntag, 16./17. Juli 2016
- Route: Pragel - Chalberloch - Zingel - Torloch - Stägen - Geisssprung - Robutzli - Charetalp - Pfaff - Glattalp (Samstag); Glattalp - In den Chrümpfen - Läcki - Unter Stafel - Ober Stafel - Munggenband - Balmer Grätli - Hotel Klausen-Passhöhe (Sonntag)
- Unsere Wanderzeit: 5 h 30 min (Samstag); 4 h 15 min (Sonntag)
- Distanz: 14,4 km (Samstag); 11,3 km (Sonntag)
- Höhenmeter (Aufstieg): 1'100 m (Samstag); 940 m (Sonntag)
- Übernachten: SAC Hütte Glattalp
- Weitere Etappen des Höhenwegs Zürich - Gotthard finden sich hier
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen