Donnerstag, 27. Juni 2024

Überquerung Hohgant: Unmarkierte Pfade und hartnäckige Schneefelder

@wandernohneende
Die offizielle Wandersaison startete mit dem Projekt von Nicole, welches uns auf unmarkierten Wegspuren quer über das Hohgantmassiv führte. Die Wetterprognosen für das Wochenende waren - positiv ausgedrückt - durchzogen, doch davon lässt sich unser Grüppchen prinzipiell nicht vom Wandern abhalten.

Zum Start gab es zunächst beim Kemmeriboden Bad eine der berühmten Kemmeriboden Merängge - man kann ja nicht mit leerem Magen wandern. Der Anfang der Wanderung konnte man noch als Verdauungsspaziergang bezeichnen, doch der war schnell vorbei, als wir das Asphaltsträsschen und die markierten Wanderwege hinter uns liessen.

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Der Einstieg zum unmarkierten Teil der Wanderung versteckte sich am Waldrand hinter einer Stallruine. Auf einem schmalen Trampelpfad ging es von dort einen stotzigen Hang hoch. Kurz bevor wir den Wald wieder verliessen, setzte der angekündigte Regen ein. Es war gar nicht einfach, auf dem abschüssigen Weg mit einem Schirm in der Hand die Balance zu halten. 

Die Landschaft wurde felsiger und für die eine oder andere Passage musste ich den Regenschirm schliessen, um beide Hände zum Festhalten frei zu haben. Unterdessen hatten wir auch die ersten Verluste zu beklagen: Zwei unserer Mitwanderer entschieden sich zur Umkehr und gaben den Merängge den Vorzug über unsere Gesellschaft.

Eine weite Karstlandschaft lag unter uns und bei schönem Wetter hätte man freie Sicht auf die Alpen gehabt. Die Berner Bergprominenz versteckte sich aber über das gesamte Wochenende vornehm hinter den Wolken.

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Bei einem Geröllfeld hörte die Spur, welcher wir bisher gefolgt waren, plötzlich auf. Ein Blick auf die Karte half nicht weiter, denn dort war der Weg überhaupt nicht eingezeichnet. Da die Richtung ungefähr stimmte, entschlossen wir uns, das Geröllfeld zu überqueren, in der Hoffnung, danach wieder auf die Wegspur zu treffen. Bald stellte sich heraus, dass diese Hoffnung vergebens war. Gut, dass es mittlerweile wenigstens zu regnen aufgehört hatte, so dass wir bei unserem Irrlauf durch das Geröll wenigstens nicht durchnässt wurden.

Ein erneuter Blick auf die Wanderbeschreibung bestätigte schliesslich, dass wir falsch waren. Also ging es zurück quer über das Geröllfeld und dann hoch zum Grat, wo wir bei einer kleinen Schutzhütte wieder auf die richtige Route gelangten (richtiger Weg für allfällige Nachahmer: Vor dem Geröllfeld zur gut sichtbaren Schutzhütte aufsteigen und diese linker Hand passieren).

Es ging noch eine Weile dem teilweise schmalen Grat entlang, direkt auf die senkrechten Felswände des Hohgantmassivs zu, bis wir schliesslich links abzweigten und zur Hohganthütte hinunter stiegen. Die unbewartete Hütte befindet sich in einer kleinen Waldlichtung und dank der Wetterbesserung reichte es sogar für einen Apéro auf der Terrasse.

Am nächsten Tag stiegen wir - zunächst über den ausgeschilderten Wanderweg - in Richtung Hohgant auf. Ein langsames Einlaufen gab es dabei nicht, bereits auf den ersten Metern stieg es zünftig steil an. Wir schreckten ein paar Steinböcke auf, die sich in einem halsbrecherischen Tempo vor Sicherheit brachten. 

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Wir hatten bereits am Vortag festgestellt, dass noch viel Schnee lag. Ein erstes, flaches Schneefeld passierten wir ohne Probleme. Doch kurz unterhalb des Gipfels galt es ein weiteres, abschüssigeres Schneefeld zu queren. Zudem schien der Gipfel mit mächtigen Wächten bedeckt zu sein. 

Daher entschlossen sich zwei weitere Mitwanderer zur Umkehr. Das restliche, auf vier Personen geschrumpfte Grüppchen schnallte die Spikes an und machte sich an die Querung des Schneefelds, die sich schliesslich als weniger heikel herausstellte, als gedacht. Die restlichen Meter zum Gipfel kraxelten wir über eine schneefreie Wiese hoch. Schneefrei war auch der Gipfel des Hohgants (2'163 m) - die von unten so mächtig erscheinenden Wächten waren von oben nur schmale Streifen Restschnee.

Nach einem kurzen Duchatmen auf dem flachen Gipfelplateau ging es auf einem nur mit ein paar Steinmännchen markierten Weg weiter. Zunächst über ein Feld von Blockfelsen, dann über einen Grat unterhalb des Aff hindurch - der so benannte Felsen glich tatsächlich einem Affengesicht.

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Wir folgten der Hügelkette, welche einen Halbkreis bildet, und hatten damit gute Sicht auf ein weiteres Schneefeld, welches in einer steilen, langgezogenen Rinne liegen geblieben war. Dieses zu queren erschien uns dann doch zu gefährlich. 

Also kraxelten wir - auch sehr steil, aber zumindest schneefrei - einen schroffen Grashang hoch und hielten uns dabei an Alpenrosenstauden fest, bis wir auf einen höher gelegenen Weg stiessen. Dieser führte uns - ganz ungeplant - auf einen weiteren Gipfel, den wir nach einem kurzen Rätselraten als Hohgant West (2'060 m) identifizierten. Das unverhoffte Gipfelglück liess uns den anstrengenden und abenteuerlichen Aufstieg fast vergessen.

Nun wieder auf offiziellen Wanderwegen und unbehelligt von weiteren Schneefeldern wanderten wir in Richtung Trogenhorn. Diesen Gipfel umgingen wir aber, die Anstrengung der letzten beiden Tage machte sich langsam aber deutlich bemerkbar. 

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Nach einem letzten Gegenanstieg folgte schliesslich der lange Abstieg: Zunächst erforderten Blocksteine unsere ganze Aufmerksamkeit und kaum hatten wir diese hinter uns gelassen und erreichten den Wald, wurden sie von rutschigen Wurzeln abgelöst. Für den idyllischen Wald voller verknorrter Bäume hatte ich kaum einen Blick, zu sehr musste ich mich konzentrieren, im stotzigen Gelände nicht auszurutschen (was nur fast gelang). Der ganze Waldboden war überwuchert von Heidelbeersträuchern, leider waren wir für eine Ernte ein paar Wochen zu früh.

Als das Gelände endlich abflachte, mussten wir noch durch ein Sumpfgebiet waten, bis wir schliesslich beim Grüenebergpass ein festes Strässchen erreichten. Normalerweise wandere ich nicht gerne über Asphalt, diesmal war ich froh, mich nicht mehr bei jedem Schritt auf meine Füsse schauen zu müssen.

Die Wanderung - und damit diesen tollen Einstieg in die Wandersaison - beendeten wir bei der ersten Bushaltestelle von Habkern, mit genügend Vorsprung vor dem heranziehenden Unwetter. Die ganze Tour würde sich lohnen, bei etwas besserem Wetter - weniger Schnee und mehr Aussicht -  zu wiederholen.


Wanderinfos:

  • Gewandert: Samstag/Sonntag, 8./9. Juni 2024
  • Route: Kemmeribodenbad - Brünneligrind - Grätli - Hohganthütte (Samstag); Hohganthütte - Hohgant - Aff - Wysschrützgrat - Hohgant West - (Trogenhorn) - Arnigrat - Grüenebergpass - Habkern (Sonntag)
  • Unsere Wanderzeit: 4 h 20 min (Samstag); 5 h 20 min (Sonntag)
  • Distanz: 8,1 km (Samstag); 12 km (Sonntag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'110 m (Samstag); 660 m (Sonntag)
  • Übernachten: Hohganthütte SAC
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Route Samstag

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Route Sonntag


Donnerstag, 20. Juni 2024

Von einsamen Bahnhöfen und Kirchen im Centovalli

@wandernohneende
An der kleinen Bahnstation Palagnedra im Centovalli hält der Zug nur auf Verlangen. Das sehr alte und sehr überfüllte Centovallibähnchen hatte aber keine Knöpfe, um Halt zu verlangen. Der Lokführer hielt schliesslich aber auch ohne ausdrückliches Verlangen an und so konnte ich an dieser einsamen, nur aus einem einzelnen Gebäude bestehenden Bahnstation meine Wandertour beginnen. 

Nach einem kurzen Aufstieg durch den Wald erreichte ich die Via del Mercato. Auf diesem Höhenweg, welcher von Intragna nach Camedo durchs ganze Centovalli führt, war ich vor ein paar Jahren entlang gewandert. Diesmal folgte ich ihm nur ein Stück weit bis kurz nach Verdasio, bevor ich ihn wieder verliess und mich weiter bergwärts wandte. In weiten Kurven führte der Weg durch einen fast baumlosen Hang. Schwarz verkohlte Stämme zeigten schnell, warum hier der Wald fehlte: Vor zwei Jahren hatte es hier gebrannt. Der Vorteil dieses Unglücks ist, dass man eine unbeeinträchtigte Aussicht ins Centovalli hat. 

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Bei der Alp Casaccia war der steilste Teil des Aufstiegs geschafft. Über ausgedehnte Wiesen erreichte ich schliesslich die Madonna della Segna. Die kleine Kirche steht versteckt in einem Wäldchen und bot sich als idealer Rastplatz an.

Weiter führte der Weg durch verstreute Weiler und Häuser rund um den Monte di Comino. Von dort würde es auch eine kleine Gondelbahn ins Tal geben, doch ich war entschlossen, zu Fuss abzusteigen. Zu Beginn war der Abstieg auch gar nicht steil, sondern führte und stetigem Auf und Ab der Bergflanke entlang mit Aussicht nicht nur ins Centovalli, sondern bis hin zum Lago Maggiore.

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In Calascio erklomm ich einen kleinen Hügel, um auch noch einen Blick ins Valle Onsernone zu verwerfen. Danach wurde der Abstieg schliesslich doch noch steil. In typischer Tessiner Manier waren die Wege mit Natursteinen gepflastert, was meine Fussgelenke gar nicht mögen.

Unterhalb von Pila hatte ich vor ein paar Jahren eine Schlange gesehen, als ich von Loco aus auf der Via delle Vose gewandert war. Diesmal waren kleine Eidechsen die einzigen Reptilien, die ich zu Gesicht bekam. 

In Intragna wartete ich dann an der Sonne auf das Centovallibähnchen, diesmal war es neuer und weniger überfüllt und an der Endstation in Locarno hielt es sowieso.


Wanderinfos:

  • Gewandert: Samstag, 1. Juni 2024
  • Route: Palagnedra - Piazze - Verdasio - Casaccia - La Cürta - Corte di Sopra - Madonna della Segna - Cà Vedro - La Cata - Calascio - Pila - Intragna
  • Meine Wanderzeit: 4 h 10 min
  • Distanz: 12,5 km
  • Höhenmeter (Aufstieg): 915 m

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