Ich hatte frei und Lust auf Sonne, doch die Wetterprognosen für
Zürich waren bestenfalls wechselhaft. Was tut man in einem solchen
Fall? Man steht zu einer unchristlich frühen Zeit auf und fährt nach
Süden: Um kurz nach zehn Uhr stieg ich schliesslich mit einem leicht flauen Gefühl im
Magen - SBB-Neigetechnik bekommt mir nicht - bei 20 Grad und strahlend
blauem Himmel in Locarno aus dem Zug.
Ich
hatte mir am Vorabend eine Strecke zurecht gelegt: Von Locarno via Madonna del Sasso
nach Orselina, von dort ein paar Kilometer der Höhenlinie entlang,
bevor ich wieder zum Lago Maggiore absteigen und entlang des Sees
gemütlich zurück nach Locarno schlendern würde - nichts Anstrengendes,
einfach etwas Sonne tanken. Doch der Plan stiess auf zwei Hindernisse:
Das erste waren die Tessiner Wanderwegweiser, die ich irgendwie immer
wieder aus den Augen verlor. Ich irrte in Locarno zwischen Bahnhof und
Anlegestelle umher, bis ich schliesslich die Treppenstufen fand, die zur
Madonna del Sasso hochführten. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass ich vom Wanderweg abkam, doch dank der App von Wanderland
fand ich immer zurück auf den richtigen Weg - zumindest bis zum Moment,
als die App hartnäckig behauptete, ich würde mitten im Lago Maggiore
stehen (und ich war mir ziemlich sicher, dass dem nicht so war, denn meine Füsse waren eindeutig trocken). Bis dahin hatte ich aber bereits herausgefunden, dass ich im Zweifelsfall immer die Treppenstufen wählen musste, die den Berg hoch führten.
Das zweite Hindernis, das mich
von einem gemütlichen Spaziergang abhielt, war der Blick nach oben: Da
stand mit dem Cardada, dem Hausberg von Locarno, ein verlockender Gipfel in Reichweite. Spätestens als ich die Talstation der
Cardada-Luftseilbahn passierte, war mir klar, dass ich die Gondel heute noch
benutzen würde - um vom Berg wieder herunter zu kommen.
Entsprechend
folgte ich ab Orselina dem Wegweiser Richtung Cardada. Der Weg führte - mit zahlreichen Stufen - im Zickzack den Wald hinauf. Die Bäume hatten noch keine
Blätter, so dass der Blick auf den Lago Maggiore und die umliegenden
Berge frei blieb. Die einzigen Lebewesen, denen ich begegnete, waren
Eidechsen, die sofort ins raschelnde Laub flohen,
wenn ich näher kam. Ich freute mich über diese Begleiter, bis mir in
den Sinn kam, dass es im Tessin Giftschlangen gibt. Ab diesem Zeitpunkt
war ich aufmerksamer, was sich da auf den warmen Steinen sonnte.
Die
Stufen und die Sonne brachten mich ins Schwitzen und meinen
beschränkten Trinkvorrat - ich hatte ja nur eine lockere Wanderung
geplant - zum Schmelzen. Ein Blick auf die Karte zeigte, dass ich nicht
mehr weit von Monte Brè entfernt war, und ich nahm mir vor, mich dort mit
einer kühlen Cola zu belohnen. In Monte Brè angekommen, musste ich aber feststellen, dass der Ort zwar mit unzähligen Treppen und
Ferienhäuschen mit einem spektakulären Blick auf den Lago Maggiore aufwarten konnte, doch mit keinem einzigen Restaurant oder Laden. Selbst der Dorfbrunnen war ausgetrocknet. So blieb mir nichts anderes übrig, als
mein Wasser zu rationieren und weiter hochzusteigen - wen wundert's,
über noch mehr Stufen. Ich hatte zwar auf der Karte gesehen, dass der Cardada 1'340 m hoch ist, hingegen hatte ich übersehen, dass Locarno auf nicht einmal 200 m über Meer liegt, und folglich mehr als 1000 Höhenmeter zu überwinden waren.
Die Stufen hörten auf,
wo der Schnee sie überdeckte; auf den letzten Höhenmeter lag nämlich noch eine dicke Schneeschicht. Dann erreichte ich endlich den Gipfel. Von der "Passerelle", einer Aussichtsplattform, die eine gewisse Schwindelfreiheit voraussetzt, hatte man einen tollen Blick über den Lago Maggiore mit den
Brissago-Inseln und auf das Alpenpanorama mit Monte Rosa und Dufourspitze. Allein dafür hatte sich der Aufstieg gelohnt. Die Cola genoss ich schliesslich auf der Terrasse des Ristorante Cardada.
Mit der Gondel fuhr ich zurück nach Orselina und nahm ich mir dort etwas Zeit, das Kloster Madonna del Sasso zu besichtigen. Eindrucksvoll fand ich vor allem die
Wallfahrtskirche: Der Raum ist für eine Kirche nicht besonders hoch,
dafür aber mit Engelsstatuen und Fresken sehr üppig ausgestaltet.
Entlang des Kreuzweges stieg ich die Stufen nach Locarno hinunter, wo ich mich am Seeufer noch etwas an die Sonne legte. Für den Rückweg entschied ich mich gegen den Neigezug und nahm stattdessen den Interregio (mit sich nicht
neigendem Panoramawagen). Durch die grossen Fenster hatte
man zudem einen guten Ausblick auf die Autokolonne am
Gotthard-Nordportal.
Wanderinfos:
- Gewandert: Gründonnerstag, 24. März 2016
- Route: Locarno - Madonna del Sasso - Orselina - Monte Brè - Cardada
- Meine Wanderzeit: 3 h
- Distanz: 7 km
- Höhenmeter (Steigung): 1'180 m
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