Das war aber dann auch schon das einzig Negative, das ich über Höhenfieber und das ganze Wochenende sagen konnte: Hans, unser Bergführer, begrüsste uns auf der Tannenbodenalp und leitete uns mit seiner ruhigen und unaufgeregten Art sicher durch das vielseitige Programm. Der erste sehr weise Entscheid traf er, als wir am Freitag auf dem Maschgenkamm im Schneegestöber aus der Gondel stiegen und uns der kalte Wind entgegenschlug: Nämlich zunächst einmal im warmen Restaurant einen heissen Kaffee zu trinken. Dazu gab es die erste Theorielektion zum Thema Tourenplanung und Lawinenbulletin (Fazit: Es gibt eine App für alles). Es stellte sich heraus, dass die Lawinengefahr an diesem Tag war wie das Wetter: Mässig.
Schliesslich mussten wir dann doch unsere Schneeschuhe anziehen und in die Kälte hinaus. Neben der Skipiste stiegen wir den steilen Hang hinab. Via Panüöl gelangten wir zur tief verschneiten Alp Fursch, wo die Steigung Richtung Spitzmeilenhütte begann. Vom namensgebenden Berg - oder irgendeinem anderen Berg - war im Nebel nichts zu sehen, doch der Weg war gut markiert und fast nicht zu verfehlen. In einem gemütlichen Tempo kämpften wir uns durch den Schnee, so dass wir am späteren Nachmittag die Spitzmeilenhütte erreichten, wo wir herzlich begrüsst wurden. Neben unserer Sechsergruppe übernachteten nur noch vier weitere Personen in der Hütte, so dass es ein sehr ruhiger und gemütlicher Abend wurde. Nach dem Essen beschäftigten wir uns nochmals mit Tourenplanung und Hangneigung (Fazit: 3x3 gibt nicht einfach nur 9).
Der Samstag begrüsste uns mit blauem Himmel, Sonne und einem umwerfenden Bergpanorama in Richtung Kurfirsten. Der Gastraum der Spitzmeilenhütte kann ohne Zweifel mit einem der schönsten Ausblicke aufwarten, den ich je gesehen habe. Nach dem aussichtsreichen Frühstück gab es dann nochmals Theorie (Fazit: Neuschnee, Triebschnee, Altschnee - alles ein Problem), bevor wir uns trotz der - wie wir festgestellt hatten - erheblichen Lawinengefahr zur Umrundung des Spitzmeilen aufmachten. Der Neuschnee glitzerte in der Sonne und es war ein tolles Gefühl, zu den Ersten zu gehören, die Spuren in der unberührten Landschaft hinterliessen. Schnell war aber auch klar, dass es ziemlich anstrengend war, sich in den Schneeschuhen durch den teilweise knietiefen Schnee zu kämpfen, insbesondere wenn man als Vorderster der Gruppe spuren musste.
Unterwegs setzten wir zudem das in der Theorie Gelernte in die Praxis um, zum Beispiel bei der Messung der Hangneigung (Fazit: Ich hätte in Geometrie besser aufpassen sollen). Am Nachmittag erreichten wir den Wissmeilen, von wo wir - zum wiederholten Mal an diesem Tag - die Rundumsicht auf die nahen und fernen Berggipfel genossen. Danach ging es abwärts: Teilweise auf dem Hosenboden rutschten wir den steilen Hang des Wissmeilen hinunter und zerstörten den bisher kaum befahrenen Neuschnee nachhaltig für alle Tourenskifahren, die zu spät aufgestanden waren.
Kurz vor der Hütte übten wir dann noch die Verschüttetensuche, indem wir nach dem LVS suchten, das Hans in einem seiner Handschuhe vergraben hatte (Fazit: Die Überlebenschancen des Handschuhs wären ganz gut gewesen). Am späten Nachmittag erreichten wir wieder die Spitzmeilenhütte, die im Gegensatz zum Vortag bis auf den letzten Platz ausgebucht war. Nach Apéro und Abendessen krochen wir schon bald erschöpft in unsere Betten. In der Nacht war ich vor allem damit beschäftigt, das Fenster zu schliessen, das sich wie von Geisterhand zu öffnen schien, jedesmal wenn ich kurz wegdöste. Wenigstens verpasste ich so den nächtlichen Sternenhimmel nicht: Direkt über dem markanten Gipfel des Spitzmeilen war Orion zu sehen.
Am Sonntag hatte sich die Lawinengefahr wieder auf mässig herabgestuft und wir verabschiedeten uns von der komfortablen Spitzmeilenhütte. Ziel der letzten Tour an diesem Wochenende war der Erdisgulmen. Auf der Karte und von Weitem sahen dessen Hänge gar nicht so steil aus - von Nahem entwickelte sich der Aufstieg im lockeren Neuschnee zu einer rutschigen Herausforderung, die gut die Grenzen der Schneeschuhe aufzeigte. Ein kalter Wind, der über den Grat fegte, verhinderte dann auch noch, dass wir unseren Triumph lange geniessen konnten, als wir den Gipfel endlich erreichten. Schnell machten wir auf in Richtung Maschgenkamm und spätestens als wir die bevölkerten Skipisten überqueren mussten, war klar, dass die Zivilisation uns wieder hatte. Nach einem letzten kurzen Aufstieg kamen wir bei der Bergstation auf dem Maschgenkamm an und anders als zwei Tage zuvor, konnten wir unser Abschlussbier bei Sonne und blauem Himmel auf der Terrasse des Restaurants geniessen.
Wanderinfos:
- Gewandert: Freitag/Samstag/Sonntag, 17./18./19. Februar 2017
- Route: Maschgenkamm - Panüöl - Fursch - Spitzmeilenhütte (Freitag); Spitzmeilenhütte - Schönegg - Schönbüelfurggel - Wissmeilen - Spitzmeilenhütte (Samtag); Spitzmeilenhütte - Erdisgulmen - Hoch Camatsch - Zigerfurgglen - Maschgenkamm (Sonntag)
- Unsere Wanderzeit: 3 h 10 min (Freitag); 3 h (Samstag); 4 h 15 min (Sonntag)
- Distanz: 7 km (Freitag); 6,3 km (Samstag); 8,7 km (Sonntag)
- Höhenmeter (Aufstieg): 400 m (Freitag); 450 m (Samstag); 430 m (Sonntag)
- Übernachten: Spitzmeilenhütte SAC
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