Montag, 2. April 2018

Wildes Wetter rund um den Wildstrubel

Fast wäre schon wieder ein Schneeschuhwochenende im Frust geendet: Als Saisonabschluss hatte ich - wie im letzten Jahr - eine Tour über die Greina gebucht. Wie im letzten Jahr wurde sie wegen ungünstigen Lawinenverhältnissen abgesagt. Als Ersatz bot man mir - wie im letzten Jahr - eine Tour in die Fideriser Heuberge an. Doch so schön das Prättigau auch ist, zweimal wollte ich die gleiche Tour nicht machen.

Ich sah mich schon das ganze Osterwochenende zu Hause sitzen und im Frust Schokoladenosterhasen essen, als ich zufällig auf ein Angebot der Alpinschule Tödi stiess: Vier Tage Schneeschuhwandern im Wildstrubelgebiet. Also nichts wie los in Wallis!

In Leukerbad war es sonnig und warm, als uns Bergführer Panki in Empfang nahm. Mit der Bahn ging es hinauf auf die Gemmi. Dort pfiff uns zur Begrüssung ein heftiger Wind um die Ohren. In der Ferne sah man dafür bereits unser Tagesziel, die Lämmerenhütte, auf einer Felsterrasse thronen. Der Schneeschuhtrail zur Hütte war gut markiert und führte am Anfang fast flach über den Lämmerenboden. Erst kurz vor der Hütte gab es eine steile Stufe zu überwinden. Eine Gruppe Skitourenfahrer nutze den Steilhang zum Üben der Spitzkehre und wir waren einhellig der Meinung, dass sie noch einiges an Übung brauchen konnten.

Auf dem Steghorn
In der gemütlichen, kürzlich renovierten und gut geheizten Lämmerenhütte wurden wir freundlich empfangen. Hier kam unser Bergführer zum ersten Mal ins Schwitzen, als sich herausstellte, dass die Alpinschule nur für zwei statt drei Nächte gebucht hatte und die Hütte für Sonntag ausgebucht war. Während wir beim Bier sassen, musste er dafür sorgen, dass wir nicht plötzlich obdachlos im Schnee landeten.

Der nächste Morgen brachte Nebel und Wolken, doch wenigstens hatte der Wind nachgelassen. Zwischen Felswänden, die im Nebel auftauchten und wieder verschwanden, stiegen wir entlang des schneebedeckten Steghorngletschers hinauf. Gerade als wir uns den letzten Steilhang hochquälten, trennten sich die Wolkenschichten voneinander und gaben den Blick Richtung Süden frei. Auf dem Steghorn (3'146 m) angekommen, blieb uns genügend Zeit für ein Gipfelfoto mit den Walliser Viertausender im Hintergrund, bevor der Nebel uns wieder einholte. Auf dem Abstieg war die Sicht gleich null und ohne unseren Bergführer hätte ich den Weg zurück in die Hütte nicht gefunden.

Dort kamen wir gerade rechtzeitig an, um eine Rösti zu essen und zu beobachten, wie draussen der Wind wieder auffrischte. Doch bevor wir zum Kuchen übergehen konnten, scheuchte uns Panki nochmals für eine LVS-Übung ins Schneegestöber. Der Schneesturm hielt die ganze Nacht an und auch am nächsten Morgen bliess uns der Wind kalt ins Gesicht, als wir uns auf den Weg zum Wildstrubel machten. Ich hatte meine Kapuze tief ins Gesicht gezogen und richtete meinen Blick nach unten, um dem Wind möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, und sah kaum mehr als die Schneeschuhe der Person direkt vor mir.

Sackgasse Lämmerenplatten
Gerade als ich das Gefühl hatte, das Wetter werde etwas besser, zog unser Bergführer die Reissleine: Der Wind hatte über Nacht Unmengen an Schnee verfrachtet und der viele Triebschnee machte den Aufstieg zum Wildstrubel zu gefährlich. Damit blieb uns nichts anderes übrig, als umzukehren. Auf dem Rückweg zur Hütte zeigte sich eindrucksvoll, wie schnell der Wind den Schnee transportieren konnte: Unsere Aufstiegsspur - bei sechs Schneeschuhläufern nicht gerade schmal - war teilweise kaum mehr sichtbar.

Damit sassen wir um 9 Uhr schon wieder in der Lämmerenhütte beim Kaffee. Da wir wegen dem Buchungsfehler aber ohnehin Unterkunft wechseln mussten, wurde nichts aus einem faulen Hüttentag. Stattdessen schnallten wir unsere Schneeschuhe bald wieder an und stiegen über die Steilstufe wieder zum Lämmerenboden hinunter. Dort drehten wir uns nach Nordwesten und wanderten ein einsames Tal zur Lämmerenplatten hoch. Diese Route hatte seit dem letzten Schneefall offenbar noch niemand genommen, auf jeden Fall musste unser Bergführer harte Spurarbeit durch den kniehochen Tiefschnee leisten. Dabei wechselten dichter Nebel und (sehr) kurze Aufhellungen nahtlos ab.

Wir hatten den höchsten Punkt der Lämmerenplatten bereits überschritten, als unser Bergführer auch hier die Reissleine ziehen musste: Die schlechten Sichtverhältnisse garantierten im coupierten Gelände keinen sicheren Abstieg. Also nochmals, umkehren, alles wieder zurück. Auf dem Rückweg zeigte sich, wie langgezogen das Seitental war. Nach dreieinhalb Stunden waren wir wieder bei der Steilstufe direkt unterhalb der Lämmerenhütte - und unserem Tagesziel keinen Schritt näher.

Morgenstimmung Schwarenbach
Via einem weiten Bogen über den Lämmerenboden zurück Richtung Gemmipass und über den schneebedeckten Daubensee erreichten wir schliesslich den Winterwanderweg, der nach Schwarenbach führte. Der planierte Weg war zwar mehrheitlich flach und stellte keinerlei Schwierigkeiten dar, doch die Strecke schien sich endlos hin zu ziehen und der schwere Rucksack lastete auf meinen Schultern. Wenigstens setzte sich die Sonne schliesslich endgültig durch und wir konnten sogar eine kurze Pause auf einer sonnigen Bank machen. Doch am Schluss waren alle froh, dass endlich das Berghotel Schwarenbach in Sicht kam - alles in allem waren wir an diesem Tag sieben Stunden auf den Schneeschuhen unterwegs gewesen.

Die komfortable Unterkunft, welche das Berghotel Schwarenbach bot, entschädigte uns für die zusätzliche Anstrengung, welche die Tourenabbrüche, die Umwege und der Unterkunftswechsel mit sich gebracht hatte.

Ausblick vom Tatelishore
Der nächste Morgen brachte zum Schluss des Osterwochenendes viel Sonne und blauen Himmel. Damit waren die Verhältnisse viel zu gut, um direkt nach Sunnbüel zu laufen. Gut, dass unser Bergführer noch einen Zusatzgipfel aus dem Hut zaubern konnte: Der Name von unserem Gipfelziel, Unders Tatelishore, konnte sich zwar niemand merken, doch die schneebedeckte Pyramide mit dem Kreuz, welches in der Sonne glitzerte, war unverkennbar. Im Sagiwald deponierten wir unter einer Tanne das nicht benötigte Gepäck und stiegen nur mit einem leichten Rucksack durch den Wald. Bald liessen wir die Bäume hinter uns und zogen unsere Spur in den weissen, unberührten Berghang. Wir waren die ersten, die an diesem Tag zum Tatelishore aufstiegen, entsprechend musste unser Bergführer wieder viel Spurarbeit leisten.

Ein Blick zurück zeigte aber zahlreiche Tourenskifahrer, die unseren Aufstiegsspuren folgten. Ein ganz dreistes Exemplar, der ohne die Spur von unserem Bergführer den Gipfel vermutlich nicht einmal gefunden hätte, dachte nicht daran, uns die Genugtuung der Erstbesteigung an diesem Tag zu gönnen, sondern überholte uns nur Meter vor dem Gipfel, ohne sich für die Spurarbeit von unserem Bergführer zu bedanken oder uns auch nur zu grüssen. Dass er dann direkt unter dem Gipfel über seine eigenen Skis stolperte und auf die Nase fiel, schien uns ausgleichende Gerechtigkeit für die fehlenden Manieren.

Rückblick zum Tatelishore
Auf dem Gipfel des Under Tatelishore (2'497 m) genossen wir die Aussicht und die warme Sonne. Wirklich ein schöner Abschluss für dieses wettermässig nicht immer gnädige Wochenende! Als immer mehr Tourenskifahrer den Gipfel erreichten und uns der Rummel zu viel wurde, stiegen wir - mehr oder weniger elegant durch den weichen Schnee gleitend - wieder hinab zu unserem Materialdepot. Das letzte Stück bis Sunnbüel folgten wir - zusammen mit unzähligen Wanderern - wieder dem Winterwanderweg.

Bei der Rückfahrt mit der Gondelbahn nach Kandersteg waren wir uns alle einig: Auch wenn wir den Wildstrubel auslassen mussten - es war ein gelungenes Wochenende gewesen. Und für mich doch noch ein schöner Saisonabschluss!



Wanderinfos:
  • Gewandert: Freitag bis Montag, 30. März bis 2. April 2018 (Osterwochenende)
  • Route: Gemmipass - Lämmerenboden - Lämmerenhütte (Freitag); Lämmerenhütte - Steghorngletscher - Steghorn - Steghorngletscher - Lämmerenhütte (Samstag); Lämmerenhütte - Lämmerensee - Lämmerenplatten (Umkehrpunkt) - Lämmerensee - Lämmerenboden - Daubensee - Schwarenbach (Sonntag; ohne Abstecher Richtung Wildstrubel); Schwarenbach - Sagiwald - Unders Tatelishore - Sagiwald - Sunnbüel (Montag)
  • Unsere Wanderzeit: 2 h (Freitag); 4 h 20 min (Samstag); 5 h 30 min (Sonntag); 4 h 15 min (Montag)
  • Distanz: 4,5 km (Freitag); 9,2 km (Samstag); 13 km (Sonntag); 10 km (Montag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 250 m (Freitag); 740 m (Samstag); 350 m (Sonntag); 650 m (Montag)
  • Übernachten: Lämmerenhütte SAC (Freitag/Samstag); Berghotel Schwarenbach (Sonntag)




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