Donnerstag, 12. August 2021

Firn, Fels, Grat - Hochtour auf das Vrenelisgärtli

@wandernohneende
Die Hochtour auf das Vrenelisgärtli stand schon lange auf meiner Wunschliste. Bereits zweimal hatte ich die Tour auf den bekannten Gipfel im Glärnisch fest gebucht, beide Male kam etwas dazwischen: Beim ersten Mal spielte das Wetter nicht mit, beim zweiten Mal mein Blinddarm. Doch alle guten Dinge sind bekanntlich drei und so machte ich mich an diesem verregneten Sonntag auf den Weg ins Glarnerland. 

Die Wolken hingen tief ins Klöntal hinein, als wir zunächst mit Bus und Alpentaxi bequem bis nach Käsern fuhren. Im Nieselregen begannen wir unseren Aufstieg zur Hütte. Durch den Nebel konnte man den Firnbachfall erkennen, doch bald verschwand auch er unter uns in den Wolken und wir hörten nur noch sein Rauschen. Rund um uns herum war es grau und nass und der Weg hatte sich mehr oder weniger mit den zahlreichen Bächen vereint, die den Hang hinunter strömten. 

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In der Glärnischhütte hatte der Hüttenwart den Holzofen eingefeuert, um all seine durchnässten Gäste wieder trocken zu bekommen. Und uns blieb in der kurzen Nacht nur die Hoffnung, dass die Wetterprognose recht behalten und die versprochene Wetterbesserung tatsächlich eintreffen würde.

Am nächsten Morgen war es noch dunkel, als wir uns gegen halb sechs Uhr in Richtung Vrenelisgärtli auf machten. Die Wassertropfen an den Grashalmen glitzerten im Schein der Stirnlampen, doch von oben blieb es trocken. Nur einzelne Nebelschwaden zogen noch an den senkrechten Felswänden entlang. Beim unteren Firenband gab es die ersten ausgesetzten Stellen zu überwinden, bevor wir schliesslich den Fuss des Glärnischfirns erreichten. Hier montierten wir die Steigeisen und Hans-Peter, unser Bergführer, verband uns zu einer Seilschaft.

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Leicht ansteigend ging es längs über den schneebedeckten Gletscher. Sehr gross ist der Glärnischfirn nicht mehr; ich fand es aber bereits erstaunlich, dass es auf nur rund zweieinhalbtausend Meter überhaupt noch Gletscher gibt. Am anderen Ende des Firns angekommen, deponierten wir unsere Steigeisen. Vor uns lag die Schlüsselstelle der Tour, der Abstieg über eine senkrechte Steilstufe zum Schwander Grat. 

Fix montierte Ketten und einige Stahlstifte helfen beim Abstieg. Ganz wohl war es mir bei der Sache aber trotzdem nicht - das Kletter-Gen fehlt mir immer noch. Viel passieren hätte aber wohl nicht können, da wir immer von unserem Bergführer gesichert wurden; trotzdem war ich froh, als ich unten ankam.

Über den schmalen Schwander Grat - objektiv gesehen wohl gefährlicher als die Kletterpassage, aber für mich eindeutig einfacher zu meistern - ging es weiter. Senkrechte zweitausend Meter unter uns lag der Klöntalersee. Das letzte Stück kraxelten wir über lockeres Geröll hoch und dann standen wir auf dem Vrenelisgärtli (2'905 m). Was für eine Aussicht! Wir nahmen uns viel Zeit, das Gipfelerlebnis in vollen Zügen zu geniessen. 

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Auf dem Gipfelkreuz des Vrenelisgärtlis hängt ein Kessel. Wohl eine Anspielung auf die namensgebende Sage, wonach es sich das junge Mädchen Vreneli in den Kopf gesetzt hatte, auf dem Glärnisch einen Blumengarten anzulegen. Mit einem grossen Kessel auf dem Kopf wollte sie sich gegen den Schneefall schützen, wurde aber zusammen mit Kessel und Blumen vollständig eingeschneit. Ich habe die Moral der Geschichte nie verstanden und fand das Ansinnen, auf fast dreitausend Metern einen Garten anlegen zu wollen, ziemlich unsinnig. Doch zugegebenermassen entdeckten wir inmitten der Steinwüste bunte Blümchen, die dem harschen Klima trotzten - vielleicht doch die Reste von Vrenelis Blumengärtchen.

@wandernohneende
Wir mussten uns schliesslich wieder auf den Rückweg machen. Nachdem wir den Schwander Grat wieder überquert hatten, kam erneut die Kletterstelle (Auf- und Abstieg sind übrigens  richtungsgetrennt und fein säuberlich markiert). Hinaufklettern finde ich generell einfacher als hinunter, und mit etwas weniger Mühe brachte ich die Schlüsselstelle erneut hinter mich.

Danach stiegen wir wieder in unsere Steigeisen und hinab ging es über den Glärnischfirn. Unten angekommen, zogen allmählich immer dichtere Wolken vom Klöntal her hinauf. Uns war es egal, das Wetter hatte an diesem Tag perfekt gepasst. Vor uns stand aber noch ein sehr langer Abstieg, gut achtzehnhundert negative Höhenmeter gilt es zwischen dem Vrenelisgärtli und Käsern zu vernichten. 

@wandernohneende
Bei der Glärnischhütte gab es einen kurzen Zwischenstopp für Kaffee und Kuchen. Im Gegensatz zum Vortag sah man dann Weiterwandern etwas von der Umgebung: Unzählige Bäche fielen über die senkrechten, grün bewachsenen Felswände und fast wähnte man sich in irgendwo in einem asiatischen Dschungel. 

Die lange Tour machte sich langsam aber sicher in meinen Beinen bemerkbar und ich war froh, dass in Käsern das Alpentaxi auf uns wartete. Doch auch wenn ich wusste, dass der Muskelkater in den nächsten Tagen garantiert war - für dieses tolle Erlebnis hatte er sich allemal gelohnt!





Wanderinfos:
  • Gewandert: Sonntag/Montag, 8./9. August 2021
  • Route: Käsern - Glärnischhütte (Sonntag); Glärnischhütte - Glärnischfirn - Schwander Grat- Vrenelisgärtli - Schwander Grat - Glärnischfirn - Glärnischhütte - Käsern (Montag)
  • Unsere Wanderzeit: 1 h 45 min (Sonntag); 8 h (Montag)
  • Distanz: 3,8 km (Sonntag); 13 km (Montag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 720 m (Sonntag); 1'100 m (Montag)
  • Übernachten: Glärnischhütte SAC



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