Donnerstag, 9. Januar 2020

Blau-weisse Tage in der Jenatschhütte

@wandernohneende
Blick Richtung Fuorcla d'Agnel
Schon (fast) traditionsgemäss verbrachte ich Silvester im Schnee. Diesmal diente die Jenatschhütte im Graubünden als Basis für die Schneeschuhtouren. Die Wetterprognosen für den Jahreswechsel versprachen viel Sonne, wenn auch bei eher niedrigen Temperaturen. Die SBB half mir netterweise bei der Akklimatisation an die Kälte, indem sie auf der Strecke zwischen Zürich und Chur einen ihrer "Dosto-Problemzüge" einsetzte, dessen Heizung ausgefallen war. Eine lange (aber warme) Postautofahrt brachte mich dann zum Julierpass, wo ich auf meine Mitschneeschuhläufer traf und auf Bergführer Jörn, der uns die nächsten Tag über die Berge führen würde.

Trotz der langen Anreise wurde uns keine Zeit für eine Verschnaufpause gegönnt, sondern wir schnallten direkt unsere Schneeschuhe an und wanderten den sonnenbeschienenen Hang hoch. Der Anstieg machte mir an diesem Tag ziemlich zu schaffen. Neben der Höhe - der Startpunkt lag bereits über 2000 m - half auch der Umstand nicht, dass ich die Festtage vor allem Fondue essend und Netflix schauend verbracht hatte.

@wandernohneende
Chamanna Jenatsch
Ich war entsprechend ziemlich ausser Atem, als wir die Fuorcla d'Agnel (2'982 m) erreichten. Von diesem Übergang aus sah man unten im Tal bereits die Jenatschhütte, die auf einem kleinen Hügel thront. Der Abstieg war schnell geschafft, doch dann kam zum Abschluss der Wiederaufstieg zur Hütte. Eigentlich betrug er nur etwas mehr als hundert Höhenmeter, mir kam es aber schier endlos vor, bevor endlich die Terrasse der Hütte in Sicht kam und ich bei einem Sauren Most wieder etwas Energie tanken konnte.

Am nächsten Tag stand als Abschluss des Jahres 2019 ein Gipfel auf dem Programm: Wir wanderten von der Hütte aus nordwärts über den schneebedeckten Valdret Calderas. Der Himmel war zwar wolkenlos blau, doch ein kalter Wind blies uns den ganzen Tag um die Ohren und sorgte für ein "Kühlschrankfeeling". Beim Aufstieg hatte man einen guten Blick auf die Flanke des Piz Calderas. Dort hatten zwei Tage zuvor Tourenfahrer ein Schneebrett ausgelöst. Der Lawinenabgang verlief glücklicherweise glimpflich, doch die lange Anrisskante war noch deutlich und eindrucksvoll sichtbar.

@wandernohneende
Triebschneemuster 
Auf einem windausgesetzten Kamm genossen wir kurz die Aussicht ins Surses, bevor wir den restlichen Anstieg unter die Schneeschuhe nahmen. Die meisten (inkl. mir) begnügten sich mit dem kleinen Vorgipfel, während nur wenige noch über den ausgesetzten Grat bis zum Gipfel der Tschima da Flix (3'315 m) kletterten. Über die Aufstiegsroute stiegen wir wieder zur Hütte ab, wo ich mich bei einer "Schoggi mit Schuss" wieder aufwärmen und darüber hinweg trösten konnte, dass ich auf der Tour die Winterteller an (beiden!) Stöcken verloren hatte.

Das neue Jahrzehnt begann schliesslich so wie das alte geendet hatte: Mit einer Gipfeltour. Diesmal ging es auf die andere Talseite, wofür wir zunächst absteigen mussten und es graute mir bereits vor dem absehbaren Wiederanstieg am Abend.

Durch ein namenlosen Seitental ging es mit einer angenehmen Steigung zur Fuorcla Margun hoch. Dort legten wir eine "Handypause" ein, denn zum ersten Mal im neuen Jahr hatten wir Empfang, so dass wir Neujahrswünsche erhalten und senden konnten. Danach ging es kurz abwärts, bevor der Schlussanstieg zum Piz Surgonda begann. Eine lange Querung eines Steilhangs war technisch etwas anspruchsvoller, doch im Gegensatz zum Montag war meine Kondition zurück und ich konnte den Aufstieg und dann insbesondere den Gipfel geniessen.
@wandernohneende
Ausblick vom Piz Surgonda
Vom Piz Surgonda (3'195 m) aus hatte man Ausblick auf schneebedeckte Berge soweit das Auge reichte. Besonders prominent war der Piz Bernina mit Biancograt erkennbar. Im Gegensatz zum Vortag war es zudem windstill, so dass man den Gipfelhalt ausgiebig und ohne Frostbeulen geniessen konnte. Für den Abstieg hatte unser Bergführer bereits am Vorabend zwei Varianten ausgearbeitet. Aufgrund der guten Verhältnisse entwickelte er auf dem Gipfel spontan "Plan C". Dafür schnallten wir die Schneeschuhe vorerst auf den Rucksack und wanderten ein Stück dem Grat entlang, bevor wir rückwärts eine kurze Schneewand hinunterkletterten.

@wandernohneende
Schneehuhn im Schnee
Im etwas flacheren Gelände zogen wir die Schneeschuhe wieder an. Dank "Plan C" und einer verbesserten Lawinensituation blieb mir sogar der mühsame Wiederaufstieg zur Hütte erspart, denn wir konnten sie von oben ohne zusätzliche Höhenmeter direkt ansteuern.

Schliesslich brach bereits der letzte Tag unserer Tour an. Der Himmel war erneut wolkenlos, doch von der Sonne hatten wir trotzdem wenig, da das ganze Val Bever noch im Schatten lag, als wir früh am Morgen den Heimweg antraten. Wir suchten uns unsere Spur durch den weichen, unberührten Schnee zwischen kleinen Hügelchen und gefrorenen Bächen. Pause machten wir auf der einzigen sonnenbeschienen Kuppe. Auf einem Schneehügel - gut getarnt weiss vor weiss - entdeckten wir zwei Schneehühner.

Schliesslich erreichten wir die Waldgrenze und schlängelten uns durch die Bäume. Der Weg durch das Val Bever war weit, aber abwechslungsreich, bis wir schliesslich in Spinas unsere Tour beendeten.





Toureninfos:
  • Gewandert: Montag, 31. Dezember 2019 bis Donnerstag, 2. Januar 2020
  • Route: Julier, La Verduta - Val d'Agnel - Fuorcla d'Agnel - Chamanna Jenatsch (Montag); Chamanna Jenatsch - Vadret Calderas - Tschima da Flix - Vadret Calderas - Chamanna Jenatsch (Dienstag); Chamanna Jenatsch - Fuorcla Margun - Piz Surgonda - (namenloses) Eisfeld bei Fuorcla Traunter Ovas - Chamanna Jenatsch (Mittwoch); Chamanna Jenatsch - Alp Suvretta - Palüd Marscha - Spinas (Donnerstag)
  • Unsere Wanderzeit: 3 h 50 min (Montag); 4 h 30 min (Dienstag); 5 h 15 min (Mittwoch); 4 h (Donnerstag)
  • Distanz: 9 km (Montag); 9,5 km (Dienstag); 10 km (Mittwoch); 13 km (Donnerstag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 900 m (Montag); 700 m (Dienstag); 870 m (Mittwoch); 100 m (Donnerstag)
  • Übernachten: Chamanna Jenatsch SAC




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