Augstbordgrat |
Der Nervenkitzel begann bereits im Zug, als einem Mitwanderer die Kamera (und das Lunchsäckli) aus dem Rucksack gestohlen wurde und der Dieb, als er in flagranti ertappt wurde, dem Besitzer eine reinhaute. Ein Polizeiaufgebot wartete am nächsten Bahnhof und für Täter wie Opfer endete die Fahrt auf einem Polizeiposten in Bern. Für den Rest von uns ging es weiter ins Wallis und wir dachten, dass wir damit den aufregendsten Teil des Tages bereits hinter uns hatten.
Augstbordhorn |
Bei der Pause auf dem Augstbordhorn (2'973 m) waren zwar bereits einige der umliegenden Gipfel hinter den Wolken versteckt, doch gemäss Wetterradar sollten wir genug Zeit haben, unsere Wanderung wie geplant fortzusetzen. Ein erstes Donnergrollen, das vorbeizog, sassen wir kurz abseits vom Grat aus.
Wir hatten gerade die ersten kraxeligen Stellen des Augstbordgrates erreicht, als das nächste Gewitter heranzog. Schnell scheuchte uns die Tourenleiterin vom ausgesetzten Grat weg. Wir kauerten uns oberhalb eines steilen Abhangs zusammen, deponierten die Wanderstöcke ein Stück entfernt und versuchten, uns so gut wie möglich gegen den einsetzenden Regen zu schützen. Das ging ganz gut - bis sich der Regen in Hagel verwandelte und erbarmungslos auf uns niederprasselte und nicht mehr aufzuhören schien. Ich hatte am Morgen meine kurzen Hosen angezogen, was sich als ganz schlechte Entscheidung entpuppte: Nicht nur sind Hagelkörner auf der Haut ziemlich schmerzhaft, das Wasser lief auch meinen nackten Beinen entlang direkt in meine Wanderschuhe - der Rest der Wanderung hatte ich das Gefühl, durch einen See zu waten.
Das Gewitter intensivierte sich und zweimal hatte ich das sehr unangenehme Gefühl, dass der Blitz direkt in der Nähe in den Grat einschlug. Als ich versuchte, die Regenhülle meines Rucksacks abzuziehen, um meine Beine damit zu schützen, glitt mir der Rucksack aus den Händen und rutschte - auch dank der gut gleitenden Regenhülle - gemächlich aber unaufhaltsam den Abhang herunter und über die Felsen hinaus. Ein Nachsteigen war zu gefährlich, ich schrieb ihn bereits als Totalverlust ab.
Violenhorn |
Besser wurde es, als wir ein Schneefeld erreichten, welchem wir folgen konnten. Beim See im Talkessel stiessen wir wieder auf den Wanderweg. Wir waren erleichtert, den Grat und das Geröllfeld sicher hinter uns gelassen zu haben, doch für eine Ruhepause blieb keine Zeit: Einerseits drohte uns das Gewitter wieder einzuholen, andererseits mussten wir uns beeilen, den Bus zu erwischen. Der lange Abstieg führte zunächst entlang von Skiliften, später erreichten wir den Wald, wo der Weg einer sprudelnden Suone folgte. Bei schönerem Wetter - und einem gemächlicheren Tempo - wäre der letzte Teil sicher eine sehr idyllische Wanderung.
Wir schafften schliesslich eine "Punktlandung" bzw. waren am Schluss knapp acht Minuten zu früh bei der Busstation. Nass, aber sonst unbeschadet, stiegen wir ins Postauto. Auf der langen Heimreise blieb genügend Zeit, um über vorhersehbare und unvorhersehbare Wetterumschwünge im Gebirge nachzudenken und über Demut gegenüber Naturgewalten. Nachdem meine Wanderschuhe nach zwei Tagen endlich wieder trocken waren, stand für mich aber fest: Die Wanderung über den Augstbordgrat hole ich - bei stabilem Sonnenschein - nach!
Wanderinfos:
- Gewandert: Mittwoch, 1. August 2018
- Geplante Route: Moosalp - Violenhorn/March - Augstbordhorn - Augstbordgrat (T4) - Dreizehntenhorn - Grosser See - Obers/Unters Sänntum - Alte Suon - Bürchen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen