Donnerstag, 29. August 2019

Via Glaralpina: Ausgesetzte Balanceakte im Glarnerland

@wandernohneende
Blick zurück zum Gulderstock
Die Via Glaralpina ist ein dieses Jahr neu eröffneter alpiner Etappenwanderweg, welcher den Kanton Glarus umrundet. Diverse Wegstrecken sind blau/weiss markiert und damit nicht nur konditionell, sondern auch technisch anspruchsvoll, wie ich nun am eigenen Leib erfahren musste resp. durfte.

Während es für mich die ersten Gehversuche auf der Via Glaralpina waren, hatte Moni, welche die Zweitagestour organisierte, mit einer Kollegin bereits mehr als die Hälfte der Etappen begangen. Die Mitwanderer für die Etappen 16 und 17 waren alle ebenfalls von Moni handverlesen. Damit war von Anfang an klar, dass es eine schweisstreibende Angelegenheit werden würde - und da hatte ich die Höhenmeter und das warme Sommerwetter noch gar nicht mit eingerechnet.

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Blick vom Gulderstock
Für die ersten Höhenmeter bis Weissenberge nahmen wir zwar noch die Seilbahn, doch dann folgte der weitere Aufstieg im erwarteten forschen Tempo. Bald liessen wir die Waldgrenze hinter uns und wanderten über einen mit Erika und Heidelbeeren bedeckten Kamm. Als wir die Lawinenverbauungen am Sonnenhorn erreichten, kamen wir kurz vom richtigen Weg ab, was aber nicht an den Markierungen lag - diese waren auf der ganzen Strecke zahlreich und brandneu -, sondern an unserer Unaufmerksamkeit.

Eine Abkürzung durch eine steile Wiese brachte uns wieder auf Kurs und mich an den Rande des Kollaps. Mit einer kurzen Verschnaufpause und einer halben Banane päppelte ich mich zumindest vorläufig wieder auf. Nach dem Sonnenhorn (2'163 m) wurde der Weg zunehmend felsiger, bis wir auf dem zerklüfteten Gipfel des Gulderstocks (2'510 m) standen. Von hier aus konnten wir den dreigeteilten Grat überblicken, der uns bis zum Wissmeilen führen würde.

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Spitzmeilen
Nachdem es bis zum Gulderstock zwar steil, am nicht besonders ausgesetzt gewesen war, fing das technisch schwierige Stück mit dem Abstieg durch ein lockeres Schotterfeld zum Guldergrat an. Dieser bestand aus einem violetten, schieferartigen Gestein mit einer glatten Oberfläche. Ausrutschen war auf dem ausgesetzten und stellenweise schmalen Grat aber verboten. Die blau/weisse Markierung (T4) war mehr als gerechtfertigt. An diversen Stellen musste man die Hände zu Hilfe nehmen, um hoch- oder runter zu kraxeln, denn - entgegen meinen Hoffnungen - hörten die Höhenmeter auf dem Gulderstock nicht auf, sondern sammelten sich munter weiter an.

Eine kurze Kletterstelle bildete den Einstieg zum weiss leuchtenden Gipsgrat. Langsam spürten wohl alle die Anstrengung in den Gliedern, denn die Wanderung verlangte nicht nur der Ausdauer, sondern auch der Konzentration ziemlich viel ab. Eine letzte Steigung brauchte uns schliesslich auf den Wissmeilen (2'581 m). Am gleichen Punkt war ich zwei Jahre zuvor im Winter schon einmal mit den Schneeschuhen gestanden, im Sommer präsentierte sich die Aussicht nicht minder schön.

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Wanderbloggerin vor Kollaps
©Clemens
Ein kurzer Abstieg führte uns zum Wissmeilenpass und von da ein längerer Abstieg ins Mülibachtal hinunter. Fast parallel zu unserer Aufstiegsstrecke ging es den Talkessel hinaus bis zur Skihütte Mülibachtal. Dort nahm sich der Hüttenwart Werner sehr viel Zeit für uns und bekochte uns mit einem Risotto mit frisch gesammelten Pilzen.

Im Gegensatz zum Vortag begann der Montag mit einem (fast) gemütlichen Einlaufen entlang der Höhenlinie. Erst nachdem wir den Widersteiner Bach überquert hatten, fing der Aufstieg durch einen mit Felsen und Wasserläufen durchzogenen Steilhang an. Die abwechslungsreiche Route war gut markiert, doch die teilweise kaum sichtbare Wegspur zeigte, dass dieser Streckenabschnitt bisher wenig begangen worden war. Das letzte Stück bis zum ersten Gipfel des Tages führte schliesslich über die nackten Felsen. Auf dem Gufelstock (2'435 m) gab es ein wolkenloses 360°-Panorama mit Glärnisch, Kurfirsten, Alpstein und - ganz nah - Mürtschenstock, den ich nur eine Woche zuvor umrundet hatte.

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Mürtschenstock
Entlang des "Schoggigrat" ging es weiter bis zum Schwarzstöckli (2'383 m). Warum der Grat den Namen trägt, blieb unklar, im Gegensatz zum Vortag war aber die Schwierigkeit wirklich (fast) "schoggi".

Ich hatte unterdessen eingesehen, dass ich mit meinen Mitwanderern nicht ganz mithalten konnte und mein Tempo gedrosselt, um den Kollaps zu vermeiden und noch genügend Reserven für den Abstieg zu haben. Und diese brauchte ich auch: Entlang des Fusses des Schilt, dessen Besteigung ich auch dieses Mal verpasste, ging es auf ziemlich mühsamen Wegen, die entweder abgerutscht oder mit lockerem Schotter bedeckt waren, die Hänge hinunter bis zum Naturfreundehaus Fronalp, wohin wir das Alpentaxi bestellt hatten.

Es war eine anstrengende, anspruchsvolle und wunderschöne Wanderung gewesen, die mir noch drei Tage heftigsten Muskelkater bescherte, und von der ich jeden Moment genossen hatte. Via Glaralpina, ich komme wieder!




Wanderinfos:
  • Gewandert: Sonntag/Montag, 25./26. August 2019
  • Route: Weissenberge - Engisboden - Bärenboden - Sonnenhorn - Gulderstock - Guldergrat - Gipsgrat - Wissmeilen - Wissmeilenpass - Mülibach Oberstafel - Skihütte Mülibachtal (Sonntag); Skihütte Mülibachtal - Widersteiner Hüttli - Chüebuch - Gufelstock - Heustock - Schwarzstöckli - Rotärd - Fronalppass - Ober-/Mittelstafel - Naturfreundehaus Fronalp (Montag) (Etappen 16 und 17 der Via Glaralpina; mehrheitlich weiss/blau markiert/T4+)
  • Unsere Wanderzeit: 6 h 30 min (Sonntag); 5 h (Montag)
  • Distanz: 19 km (Sonntag); 15 km (Montag)
  • Höhenmeter (Aufstieg): 1'700 m (Sonntag); 900 m (Montag)
  • Übernachten: Skihütte Mülibachtal





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